Zum Evangelium Lk 4,21-30 (4. Sonntag im Jahreskreis, 3. Februar 2019)
Das heutige Evangelium beginnt wie das Evangelium des letzten Sonntags endete: „HEUTE hat sich das Schriftwort, das ihr gerade gehört habt, erfüllt.“ Jesus ist gekommen, „Armen eine Heilsbotschaft zu bringen, … Gefangenen Freilassung zu künden und Blinde aufblicken zu lassen.“ (V.18 in der Übersetzung von Fridolin Stier). Und das sagt er nicht nur den Zuhörern in der Synagoge von Nazaret, sondern auch uns hier in Höntrop!
Darüber können wir uns freuen und staunen – wie die Zuhörer damals auch – zunächst. Dann aber schlägt ihre Stimmung um: Vom Staunen in Wut und Hass in wenigen Minuten. Denn sofort kommen Fragen und Zweifel, Vorurteile und Erwartungen hoch, die Jesus zurückweist. „Ist das nicht ein Sohn Josefs?“ Einer von uns, den wir doch alle kennen? Und „alles, was – wie wir hörten – in Kafarnaum geschah, tu es auch hier in deiner Vaterstadt!“ (V. 23).
Bei uns klingt das dann vielleicht so: „Viele von uns hier sind abgehängt, ohne Job und Perspektive. Den Flüchtlingen aber wird vorne und hinten hereingestopft.“ Oder einfach: „America first!“ –
Gottes Heilswirken aber geschieht nach anderen Maßstäben, ist nicht begrenzt auf nationales Denken, wie Jesus seinen Zuhörern an konkreten Beispielen entgegenhält.
Jesu Anspruch ist also eine Herausforderung, vielen erscheint sie gar als Zumutung! Und ich denke, es wäre heute nicht viel anders als damals in Nazaret.
Ich stelle mir beispielsweise vor, jemand aus unserer Gemeinde steht plötzlich auf wie eine(r), die/der etwas zu sagen hat. „Wenn wir als Kirche in Wattenscheid überleben wollen, müssen wir uns neu erfinden. Neues wagen und Altes zurücklassen. Zum Beispiel dieses Kirchengebäude hier: ziemlich marode, auf Dauer nicht zu halten, wie Experten sagen. Reißen wir es ab und bauen wir eine neue Kirche!“ (So ein Votum aus dem Pfarreientwicklungsprozess!)
Die Reaktionen in der Pfarrei kann ich mir vorstellen: „Total verrückt!“ „Was das kostet!“ „Und die anderen gehen leer aus!?“ „Da will sich wohl jemand einen Namen machen!“ U.v.a.m. …
Mich lädt dieses Evangelium ein, mich auf die Herausforderung von Jesu Anspruch einzulassen und den Maßstäben Gottes nachzuspüren: „HEUTE hat sich das Schriftwort, das wir gerade gehört haben, erfüllt.“ Gottes Heilshandeln folgt nicht meinen Vorurteilen und Maßstäben; vielmehr wirkt Gott, wo und wie und durch wen ER will. HEUTE vielleicht durch jemanden aus unserer Gemeinde oder durch jemanden wie Macron, der neu von Europa träumt – so wie damals durch den Propheten Jesaja. Darauf darf ich vertrauen.
Und Gottes Maßstab ist die LIEBE, wie sie der hl. Paulus in der 2. Lesung (aus seinem Brief an die Gemeinde in Korinth) beschreibt: „Die LIEBE ist langmütig, die Liebe ist gütig… Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand!“ (1 Kor 13,4ff) –
Das ist und bleibt eine Herausforderung – damals wie heute.
Burkhard Schönwälder