6. Sonntag der Osterzeit, 06.05.2018 – Zum Evangelium nach Johannes, 15, 9 – 17
9 So wie der Vater mich liebt, habe ich euch meine Liebe erwiesen. Bleibt in dieser Liebe!
10 Wenn ihr meine Gebote befolgt, dann bleibt ihr in meiner Liebe, so wie ich die Gebote meines Vaters befolgt habe und in seiner Liebe bleibe.
11 Ich habe euch dies gesagt, damit meine Freude euch erfüllt und an eurer Freude nichts mehr fehlt.
12 Dies ist mein Gebot: Ihr sollt einander so lieben, wie ich euch geliebt habe.
13 Niemand liebt mehr als einer, der sein Leben für seine Freunde opfert.
14 Ihr seid meine Freunde, wenn ihr mein Gebot befolgt.
15 Ich nenne euch nicht mehr Diener; denn ein Diener weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr nenne ich euch Freunde; denn ich habe euch alles gesagt, was ich von meinem Vater gehört habe.
16 Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt. Ich habe euch dazu bestimmt, reiche Frucht zu bringen, Frucht, die Bestand hat. Darum gilt auch: Alles, was ihr vom Vater in meinem Namen, unter Berufung auf mich, erbittet, wird er euch geben.
17 Dieses eine Gebot gebe ich euch: Ihr sollt einander lieben!
„Ihr sollt einander lieben!“ So lautet das Gebot, welches Jesus Christus kurz vor seiner Passion seinen Jüngern mitteilte. Das Bild des Weinstocks und der Reben aus dem Evangelium des vorherigen Sonntags wird erneut aufgegriffen, das Motiv der Liebe wird weiter ausgeführt und direkt thematisiert.
Die Liebe Jesu zu seinen Freunden resultiert aus der Liebe seines Vaters zu ihm. Diese innige Beziehung zwischen Jesus und seinem Vater ist nicht mit der Beziehung des Winzers zu seinem Weinstock zu vergleichen, sie geht darüber hinaus und ist durch unabdingbare Liebe gekennzeichnet.
Mit den VV.12-13 greift Jesu indirekt seinen anstehenden Tod auf, indem er das Liebesgebot in V.12 in der Vergangenheitsform formuliert, V.13 führt diese Argumentation noch weiter. Der Vers spricht davon, dass keiner mehr liebt als jener, der für seine Freunde gestorben ist. Eben in dieser Haltung vollzieht Jesus an den Seinen den Gestus der Fußwaschung als Ausdruck seiner dienenden Liebe bis zum Letzten.
Die Jünger sind die Freunde Jesu, da sie sein Wort erfüllt haben. Tiefer gesehen aber kann Jesus sie Freunde nennen, da er ihnen seine Botschaft vom Vater voll mitgeteilt und so mit ihnen geteilt hat.
„Freunden ist alles gemeinsam“, so lautet ein antikes Sprichwort, das sich hier erfüllt. Hier zeigt sich der Unterschied zum Knecht oder Sklaven, der nicht weiß und versteht, was sein Herr tut. Freundschaft ist etwas Wunderbares. Viele Menschen haben einen „besten Freund“ oder eine „beste Freundin“, der oder die sehr wichtig für sie ist. Was bedeutet uns ein Freund? Einem Freund kann ich alles sagen, ein Freund weiß, wie mir zumute ist; er versteht mich.
Ein Freund ist da, wenn man ihn braucht, auf ihn ist Verlass. Ein Freund geht ehrlich mit mir um, bei ihm sind Geheimnisse gut aufgehoben. Ein Freund nimmt sich Zeit für mich. So ein Freund will Jesus für uns sein!
Sofern die Jünger die Gebote Jesu befolgen, so können sie sich der Liebe Gottes gewiss sein und mit Zuversicht ihre Taten vollbringen. Die Verbindung der Jünger mit Jesus wird jetzt noch einen Schritt weiter geführt. Sie sind mit Jesus verbunden, wenn und soweit sie sein Gebot verwirklichen (V. 14). Tiefer gesehen sind sie mit Jesus verbunden kraft des Wortes, das er an sie gerichtet hat (V. 15).
Es stellt sich mir nur die Frage, wie das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe, wie es Jesus seinen Freunden mitgeteilt hat, kurz bevor er für sie am Kreuz gestorben ist, in unsere heutige Zeit passt. Wie kann das Gebot der Liebe für uns heutzutage Geltung besitzen bzw. Bedeutung haben? Welche Rolle spielt dieses Gebot für unser Leben?
Blickt man in die Zeitung, schaltet den Fernseher oder das Radio ein, oder bedient sich anderer elektronischer Informationsmedien, so wird man von Nachrichten über Katastrophen u.a. gewissermaßen überflutet.
Unter Anbetracht von Schlagzeilen wie Frauenverachtung, Homophobie, Rechtsextremismus, Terror unter dem Deckmantel der Religion, oder Antisemitismus (es sei hier nur an die Prügelattacke in Berlin vor nicht allzu langer Zeit zu erinnern, bei der ein junger Mann mit einem Gürtel attackiert worden ist, nur weil er eine Kippa trug), fällt es schwer daran zu glauben, dass das Gebot Jesu „Ihr sollt einander lieben!“ überhaupt noch in irgendeiner Art und Weise in den Herzen der Menschen vorhanden ist. In einer Gesellschaft bzw. Welt, die an vielen Stellen von Hass, Fremdenfeindlichkeit etc. geprägt ist, fällt es mir oftmals schwer daran zu glauben.
Das Gebot scheint für viele Menschen nicht mehr von Bedeutung zu sein, obwohl es doch eigentlich so einfach ist. „Ihr sollt einander so lieben, wie ich euch geliebt habe“, das klingt doch so einfach und banal, aber dennoch scheint es für viele zu schwer verständlich zu sein, oder auch zu drastisch und provokativ, da Jesus doch auch fordernd wirkt und seinen Jüngern ins Gewissen reden mag.
So würde ich mir wünschen, wir würden uns dieses Gebot doch an vielen Stellen unseres Lebens mehr zu Herzen nehmen und beispielsweise Hass nicht sofort mit Gegenhass beantworten, denn immerhin schließt das Gebot der Nächstenliebe auch Feindesliebe nicht aus und ist nicht nur auf einen kleinen Menschenkreis, wie er u.a. in einer Gemeinde vorkommt, beschränkt, sondern universal.
Das Gebot zeigt uns, dass man auch ohne Provokationen, Androhungen oder Gewalt zusammen leben kann, der Korea-Gipfel mag in dieser Hinsicht ein Beispiel für das Gebot der Nächsten- und Feindesliebe sein. Das erste Mal seit der Trennung Koreas in Nord und Süd übertraten die Staatschefs der beiden Länder die Grenze und setzen ein Fuß in das andere Land. Wenn es auch nur von kurzer Dauer gewesen sein mag und weitere Fortschritte in der Beziehung noch offen sind, so symbolisiert doch diese erste Annäherung der beiden verfeindeten Länder, in anschaulicher Art und Weise das Gebot, welches Jesus Christus seinen Freunden mitgeteilt hat.
Im Vertrauen auf die Liebe Gottes, können selbst unmöglich zu überwindende Mauern überwunden werden und Frucht bringen, die auf Dauer Bestand hat.
Das Gebot Jesu an seine Jünger mag zwar stellenweise provokativ und gerade unter dem Aspekt der Feindesliebe merkwürdig klingen, dennoch kann es einfacher eigentlich nicht sein, denn die Liebe Gottes ist unergründlich, untrennbar und unerschütterlich und voller Zuversicht. So schließe ich meinen Gedankengang mit diesem zugleich provokativen wie einfachem Gebot Jesu, in der Hoffnung, es würde sich oftmals mehr zu Herzen genommen werden:
„Ihr sollt einander lieben!“
Mit dieser Hoffnung wünsche ich Ihnen und Euch einen gesegneten Sonntag
Matthias Parthe