Ostersonntag, 01.04.2018 Zum Evangelium nach Johannes 20, 1 – 18
Die Menschen machen sich einen Spaß daraus, einander am 1. April mit den unterschiedlichsten Erzählungen in die Irre zu führen. Der größte Erfolg tritt dann ein, wenn man mit dem ernstesten Gesicht eine vollkommen irrwitzige Geschichte erzählt hat und auf das staunende Gesicht des Zuhörers prustend antworten kann „April, April!“ Das kann ein Scherz sein und bleiben. Seit dem vergangenen Jahr wissen wir, dass aus diesen unschuldigen Späßen rasch die Verzerrung der Wirklichkeit werden kann. „Fake News“ sind Aprilgeschichten mit Dauerstatus und ohne den Anspruch, Scherz zu sein.
„Ich habe den Herrn gesehen.“ Ob die Jünger auf diese Aussage Maria Magdalenas geantwortet hätten: April, April? In der Tat ist es unerhört, was sie sagt. Zwei Jünger waren am Grab und haben sich überzeugt, dass Jesus nicht mehr im Grab liegt. Die Binden sind noch da, das Schweißtuch ist zu finden, mit dem sein Gesicht bedeckt war, doch den Leichnam finden sie nicht. Es ist unerhört, unvorstellbar, unverständlich und nach menschlichem Ermessen vollkommen unmöglich, dass jemand kommt und sagen kann „ich habe den Herrn gesehen.“ Das müssen Fake News sein. Übelste Geschichten, ein Schwert, das mutwillig in die Wunde der Trauer gerammt wird.
Und zugleich lesen wir, dass Maria von Magdala mehr als nur ihre Wahrnehmung verkündet: Sie erfüllt einen göttlichen Auftrag. Wohlgemerkt: Die erste Person, die von der Überwindung des Todes berichtet, die erste Zeugin der Auferstehung ist eine Frau. Der erste Mensch, der den Auftrag zur Verkündigung von Jesus erhält, ist eine Frau. Seit rund 600 Jahren erinnert der Standort in Höntrop mit seiner Patronin an gerade dieses Geschehen. Aufmüpfig kann man das nennen aus der Sicht einer auf Männer ausgerichteten Kirche. Selbstbewusst sollte man es nennen aus der Sicht eines Gläubigen mit Blick auf den Text, den wir als „Wort Gottes“ verehren.
Gleichzeitig ist die Situation aber auch überaus tröstlich. Alle, die zum Grab Jesu gegangen sind, waren in tiefer Trauer. Verzweiflung befiel sie, als sie das Fehlen des Leichnams bemerkten. Und in diese verzweifelte Trauer hinein zeigt sich ein zugewandter Gott, der fragt „Frau, warum weinst du? Wen suchst du?“ Marias Antwort zeigt, wie sehr sie von der Situation überfordert ist, wie wenig weit ihr Blick reicht. Die Distanz wird aufgelöst durch die direkte Ansprache: „Maria!“, die sie versteht, in aller erlösenden Konsequenz.
Es ist für mich ein wunderbarer Text. Ich heiße nicht Maria und habe schon an manchem vollen Grab gestanden. Und dennoch lasse ich mich von diesem Text berühren. So als habe Gott meinen Namen genannt und mir einen kleinen Blick darauf ermöglicht, dass das Leben auf dieser Erde nicht das ist, was allein bestimmt. Mit dem Auftrag, es weiterzusagen, wird mir die Trauer genommen. Im Text darf ich damit auch ein wenig vom Herrn sehen.
Ich wünsche Ihnen ein froh machendes und segensreiches Osterfest.
Tim Wollenhaupt