3. Sonntag der Bereitungszeit, 19.3.2017 – Zum Evangelium Joh 4, 5-42
Um Wasser und um Leben geht es bei dieser Begegnung von Jesus mit einer Frau aus Sychar. Merkwürdig und ungewöhnlich ist diese Begegnung von zwei Menschen, die eigentlich nicht an der Stelle sein sollten um diese Zeit. Der eine sollte eigentlich nicht hier sein, weil Juden einen Bogen um dieses Land machen. Und die andere sollte nicht hier sein, weil Siestazeit ist und eine Frau da eigentlich zu Hause bleibt. Darum sind sie hier zu zweit, keine andere Menschenseele weit und breit.
Jesus spricht die Frau an: „Gib mir was zu trinken. Ich hätte gerne einen Schluck Wasser. Kannst du mir etwas davon schöpfen, mit deinem Eimer?“ Die Reaktion der Frau zeigt: Diese Bitte war mindestens genauso ungewöhnlich wie Zeitpunkt und Ort ihres Zusammentreffens. Und dann noch die Geschichte dieser Frau, die Jesus offenbar kannte. Diese Frau hatte fünf Ehen hinter sich gebracht und lebte unverheiratet mit einem sechsten Mann zusammen. Eine Biografie voller Fragen, Umwege und Widersprüche. Das alles schreit geradezu nach maximalem Abstand, wenn man seine Ehre, Würde und seinen guten Ruf bewahren will. Das schreit geradezu nach stillem Desinteresse und höflicher Distanz.
Ich muss an die vielen Tausend Flüchtlinge denken, die in den letzten zwei Jahren in unser Land gekommen sind. Vielleicht auch hier: Falscher Ort und falsche Zeit. Anderer Glaube, fremde Kultur, eine Sprache, die wir nicht verstehen. Da leben Menschen mit einer Geschichte unter uns, die wir nicht kennen: Ängste, Vertreibung, Flucht. Hier prallen Welten aufeinander, ein unglaublicher Abstand. Niemals hätten wir uns vorstellen können, dass uns diese Menschen so nahe kommen können, zusammen an einem Ort.
Wenn wir ein bisschen wie Jesus wären, dann müssten wir ein Gespräch beginnen, an der Bushaltestelle oder an der Kasse des Supermarkts. Wenn wir ein bisschen wie Jesus wären, dann könnten wir ruhig den direkten Weg nehmen, den Kontakt suchen, ein Gespräch beginnen: „Gib mir einen Schluck zu trinken“. Erzähl mir, was dich beschäftigt und was ist das für ein Leben? Dieses Auf und Ab, dieses Hoffen und diese Frustration, vielleicht auch mit Schuld und Konflikten und jetzt mit einem Mann, der sie nicht heiratet, sie nur duldet, vielleicht auch ausnutzt.
„Gib mir zu trinken.“ Hinter diesem Satz steckt mehr. So nimmt man mit jemandem Kontakt auf. In der Bitte nach dem durstlöschenden Wasser liegt die Bitte nach einer lebensspendenden Aufmerksamkeit verborgen. Mit dem Wasser bitte ich dich um ein Stück von dir, du zeigst mir Nähe, Freundschaft, Zuneigung. Gib mir Verständnis und ich will dir Verständnis geben.
„Gib mir zu trinken!“ – Jesus überspringt mit dieser Bitte alle Konventionen seiner Zeit und tut, was dem Leben dient. Wo die Quelle des Lebens sprudelt, da hören die Trennungen auf. Da beginnt ein gemeinsames Leben, ein wechselseitiges Geben und Nehmen, das aus der Quelle des Lebens fließt.
„Gib mir zu trinken!“ – So unscheinbar kann eine Begegnung beginnen und ins sprudelnde Leben führen.
Josef Winkler
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.