Sprecher:
Über die Kirche ein Gedicht zu schreiben, ist nicht einfach in diesen Zeiten, weil sie sich ständig verändert und verändert…
so beginnt ein Text von Wilhelm Bruners, der mich sehr beschäftigt!
Sprecher:
…aber das haben wir ja gewollt – eine ständig sich wandelnde Kirche, ein wanderndes Volk … das sich bewegen lässt und in Zelten lebt, statt in unbeweglichen Gehäusen und menschenfernen Tempeln,
die bald keiner mehr bezahlen kann. –
Eine schmerzhafte Bilanz!
Offenbar finden Menschen, was sie suchen nicht mehr in unseren Gottesdiensten. Leere Kirchen und leere Kassen sind die Folge.
Ich bin Gertrude Knepper, Gemeindereferentin in St. Maria Magdalena in Bochum-Höntrop. Unsere Gemeinde beschäftigt sich lange schon mit diesen Fragen, ganz besonders jetzt, wo unsere Kirche hundert Jahre alt wird:
Wie wollen wir heute Kirche sein?
Vor hundert Jahren war das für die Menschen klar.
Aus voller Brust haben sie gesungen:
Ein Haus voll Glorie schauet weit über alle Land, aus ew´gem Stein erbauet von Gottes Meisterhand!
Wilhelm Bruners dagegen spricht von einem wandernden Volk. Das ist ein fast revolutionäres Bild von der Kirche! Es ist auch eine Erinnerung an die Geschichte Israels. Gott hatte es aus der Knechtschaft Ägyptens befreit. 40 Jahre lang waren die Israeliten unterwegs durch die Wüste. Diese Erfahrung prägte ihr Gottesbild. Ihr Gott war ein mitziehender Gott. Und wenn das Volk Rast machte, dann schlug Mose außerhalb des Lagers ein besonderes Zelt auf. Ein heiliges Zelt. Das Zelt der Begegnung mit Gott.
Jesus nimmt diese Spur auf. Er zieht sich nicht hinter menschenferne Tempelmauern zurück. Er geht dorthin, wo die Menschen sind. Die Jesusgeschichte ist eine Weggeschichte. Er sagt von sich: Ich bin der Weg!
Und die Kirche heute?
Wir haben uns zu unsrem Jubiläum vorgenommen:
Wir wollen wieder Kirche sein, die sich bewegen lässt und in Zelten lebt – Wir wollen Maßnehmen am Ursprung!
Der Essener Künstler Jens J. Meyer hat unsere ganze Kirche in ein Zelt verwandelt.
Zwischen den einzelnen Zelttüchern sieht man noch die alten Mauern und doch versammelt sich die ganze Gemeinde in einem neuen Raum!
Der Blick auf die hochgespannten Tücher fasziniert mich.
Er richtet mich auf, wie die mächtigen Säulen einer Kathedrale!
So aufgerichtet höre ich das alte Psalmwort noch einmal ganz neu:
Du hast mir Raum geschaffen als mir Angst war! Sei mir nahe und erhöre mich!
(Glockengeläut aus MM einspielen, und leise unter folgendem Absatz ausklingen lassen)
Wenn wir heute unter diesem Zelt unser Jubiläum feiern: Hell, leicht, bunt und fröhlich, dann wünsche ich mir:
Wir bekämen etwas zu fassen von Gottes bergender Liebe, die über uns ausgespannt ist, wie ein Zelt – wenigstens einen Zipfel!