Auf der Suche
Wie ein feines Netz ziehen sie sich über ganz Europa, die Pilgerwege nach Santiago de Compostela. Die gelbe Jakobsmuschel auf blauem Grund leuchtet den Wanderern weithin sichtbar entgegen. Vielleicht sind Sie, lieber Hörer, liebe Hörerin, ja auch schon einmal diesem Wegzeichen gefolgt. Vielleicht hat Sie dieses Zeichen eine Etappe weit geführt oder sogar bis an das Ziel dieses Weges, zum Grab des Heiligen Jakobus.
So wie Sabine. Sie hat sich allein auf den Weg gemacht. Sechs Wochen war sie unterwegs durch Frankreich und Spanien. Auf dem Caminio – wie die Pilger sagen.
Pilgern ist kein Sonntagsspaziergang, sagt Sabine, so ein Tagesmarsch ist verdammt anstrengend. Es ist hart, den inneren Schweinehund jeden Tag neu zu überwinden! Und eine Garantie, dass Du ankommst, die gibt es nicht! Was Du brauchst, ist eine große Sehnsucht. Die Sehnsucht, dir selbst und damit auch Gott ein Stückchen näher zu kommen. So kannst du dich dem Weg anvertrauen und unterwegs wirst du spüren, deine Sehnsucht trägt, Schritt für Schritt!
Mein Name ist Gertrude Knepper und ich kenne Sabine aus der Gemeinde,
in der ich als Seelsorgerin arbeite. St. Maria Magdalena, in Bochum–Höntrop.
Sabine hat mir viel von ihrem Pilgerweg erzählt und von ihrer Sehnsucht.
Es ist die gleiche Sehnsucht, die sie von weiter weg hier zum Gottesdienst führt!
Sabine beschreibt das so: Ich will Gott nahe sein, will ihn erfahren in der Gemeinschaft bewegter Menschen, die auf der Suche sind!
Mich beeindruckt ihre Vorstellung von einem Gottesdienst! Sie macht mir noch einmal neu bewusst: Der Gottesdienst, den wir feien ist nicht das Ziel, er ist eine Station auf dem Weg zum Ziel, die Feier will stärken und Mut machen, immer neu den Aufbruch zu wagen!
Sabines Worte erinnern an den Ursprung des Christseins! Die Bibel nennt die Christen: Die Menschen des Weges!
Die Kirchengemeinde, in der ich arbeite, ist diesem Auftrag besonders verpflichtet, denn sie verdankt sich den Pilgern auf dem Jakobsweg. Unsere Kirche steht unmittelbar am Hellweg, der alten Handels-, Heeres-, und Pilgerstraße, die sich quer durch das ganze Ruhrgebiet zieht. Schon im Mittelalter war sie die meistbenutzte Verkehrsstraße Westfalens. Seit fast sechshundert Jahren stehen die Türen des Gotteshauses offen für Menschen, die auf der Suche sind: auf der Suche nach einem Platz, um auszuruhen, auf der Suche nach Menschen, die sich ihrer annehmen; auf der Suche nach sich selbst; auf der Suche nach Gott.
Zuerst war es nur eine kleine Kapelle. Im Zeitalter der Industrialisierung brauchte es eine größere Kirche, um den vielen Christen, die Arbeit und Glück im Ruhrgebiet suchten Heimat zu geben. Inzwischen reckt die dritte Magdalenen Kirche ihren Turm am Wattenscheider-Hellweg in die Höhe. (Glockengeläut aus MM einspielen, und leise unter folgendem Absatz ausklingen lassen)
In diesem Monat feiern wir ihren 100. Geburtstag!
Vielleicht ist Sabine auch dabei, wenn wir heute auf dem Weg Gottesdienst feiern.
Eine Kirche am Pilgerweg für eine pilgernde Kirche!
Gemeinsam nehmen wir ein Stück des Jakobsweges unter die Füße.
Schritt für Schritt können wir so unsere Sehnsucht spüren nach einem Gott, der von sich sagt: Ich bin der Weg!
Was ich mir zum Fest wünsche?
Ich wünsche mir und der Kirche von heute,
dass wir mobil bleiben, uns nicht selbst genügen,
dass wir immer neu den Aufbruch wagen, in seinem Namen!
Und für alle Wege, die wir und die Sie heute gehen,
wünsche ich von Herzen: Gottes Segen!
Foto: Stephan Hochhaus/flickr.com (CC BY 2.0)