Zum Evangelium Mk 8, 27-35 am Sonntag, dem 13.9.2015
Die Vielgestaltigkeit unserer Welt bringt mich immer wieder ins Staunen.
Vor allem der Mensch ist in seiner Differenziertheit als Ganzes kaum zu erfassen. Aber auch das Evangelium, auf das wir heute hören, ist facettenreich und kann sich uns immer wieder auf neue Weise erschließen.
Als ich heute dem Text in Mk 8, 27-35 nachspürte, um diesen Impuls vorzubereiten, „stolperte“ ich über die Frage von Jesus: „Für wen halten mich die Menschen? Für wen haltet ihr mich?“ Abgesehen davon, dass mir jede Frage, die Jesus in den Mund gelegt wird, bedeutsam erscheint und im Herzen bewegt werden will, verweist diese Frage mich auf ein Geheimnis des menschlichen Miteinanders: Nie wird ein anderer Mensch mich ganz ergründen können, so nah er mir auch sein mag. Und: Nie werde ich einen anderen Menschen im Letzten verstehen, was seine Art zu denken, zu fühlen und zu handeln betrifft; ich kann sein Wesen nur in einzelnen Aspekten erahnen und daraus in Respekt eine Einschätzung treffen.
So überliefert uns Markus in seinem Evangelium, dass die Menschen in Jesus Johannes den Täufer sehen, sie sehen Elija, einen Propheten; Simon Petrus sieht in ihm den Messias. Jesus selbst bezeichnet sich in Vers 31 als Menschensohn. Wir Christen glauben, dass Jesus Christus die göttliche und die menschliche Natur in sich vereint, und ich finde es immer wieder spannend, diesen beiden Naturen auf seinem Lebensweg nachzuspüren.
Die Schärfe seiner Zurückweisung in Vers 33 hat mich irritiert, so oft ich diese Schriftstelle gehört bzw. gelesen habe. Dass Petrus auf die Leidensankündigung aufgebracht und abwehrend reagiert, leuchtete mir unmittelbar ein. Wer von uns möchte nicht gerne Leiden verhüten bzw. aus der Welt schaffen? Heute kam mir noch ein anderer Gedanke: Aus der Erfahrung heraus, dass heftige Reaktionen oft zeigen, dass bei dem Reagierenden innerlich etwas sehr in Bewegung gekommen ist, sich vielleicht „der innere Schatten“ zu Wort meldet, frage ich mich, ob Jesus hier seine zutiefst menschliche Seite zeigt, nämlich die Angst, mit der er ganz sicher gerungen hat in der Annahme seines Leidensweges.
Die Verse 34 und 35 erinnern uns sehr deutlich daran, dass Jesusnachfolge auch Kreuzesnachfolge mit einschließt. In seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ zitiert Papst Franziskus aus einem Dokument der 5. Generalversammlung der Bischöfe von Lateinamerika und der Karibik: „Das Leben wird reifer und reicher, je mehr man es hingibt, um anderen Leben zu geben. Es verkümmert, wenn man sich isoliert und es sich bequem macht.“ Mit unserer Hilfe will Gott sein Erlösungswerk fortsetzen, die Welt zur Liebe und zum Guten befreien, so wie Jesus es gelebt hat. Jeder Tag bietet uns dazu unendlich viele Gelegenheiten!
Brigitte Meier
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.