Impuls zur Osternacht 2015 – Mk 16, 1-7
Was bisher geschah: Jesus von Nazareth, ein Mann der von sich behauptete der Sohn Gottes zu sein und göttliche Vollmacht zu haben, der bei Zöllnern und Aussätzigen einkehrte, der einen öffentlichen Tumult im Tempel verursachte, weil er gegen die vielen Händler handgreiflich wurde, wird festgenommen gedemütigt und zum Tode am Kreuz verurteilt. Er stirbt den, in der damaligen Zeit schändlichsten aller Tode: den Tod am Kreuz: „denn ein Gehenkter ist ein von Gott Verfluchter“ (Deuteronomium 21,23). Wie aber können wir von einem solchen Menschen glauben, dass er Gottes Sohn ist, wie hätten es die Jünger glauben sollen?
„Der Messias, der König von Israel! Er soll doch jetzt vom Kreuz herabsteigen, damit wir sehen und glauben“ (Markus 15,32). Und ist diese Aussage nicht allzu verständlich? Warum sollte Gottes Sohn sich auf die schlimmste Art und Weise hinrichten lassen? Ist es nicht sein Scheitern, das Scheitern seiner ganzen Verkündigung? Wie kann man so einem Glauben schenken, der so offenkundig von Gott verlassen wurde?
Fast sieht es so aus, als wäre es die Strafe für seine vollmundige Behauptung, er sei der Sohn Gottes. Seine ganzen Taten und Zeichen, die er in dieser Vollmacht getan hat, wirken nun wie dreiste Lügen! Die Hoffnung auf die Befreiung der gesellschaftlich Geächteten aus ihrer Isolation, die Hoffnung auf die liebende Zuwendung Gottes, die er verkündigt und in seinen Werken gezeigt hat, zerfällt auf brutalste Art und Weise. Die Enttäuschung und Desillusionierung der Jünger ist mehr als verständlich.
In dieser Enttäuschung machen sich die Frauen auf den Weg zum Grab. Sie kommen um einen Toten herzurichten, um damit noch einmal ihre freundschaftliche Zuneigung zu ihm auszudrücken, auch wenn ihre großen Hoffnungen enttäuscht wurden. Sie gehen zu einem Toten und finden ihn nicht! Nur einen jungen Mann, der eine doch sehr kühne Behauptung aufstellt: Jesus von Nazareth sei nicht länger tot, sondern von Gott zu neuem Leben auferweckt worden. Eine steile These! Nur allzu gut müssten wir die, im Evangelium der Osternacht nicht mehr erwähnte Reaktion der Frauen verstehen: „Da verließen sie das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt“ (Markus 16, 8). Kennen wir nicht alle solche „Spinner“, die dies und das behaupten? Würden wir ihm glauben, ohne jeglichen Beweis, dass es wirklich so ist?
„Und sie sagten niemand etwas davon“ (s.o.). Die Jünger sind kraftlos, desillusioniert, leer und ausgebrannt. Auch dieses Gefühl ist uns in Zeiten des vermeindlichen Rückzugs und der scheinbar schrittweisen Verabschiedung von lebendiger Kirche vor Ort nicht fremd. Was fehlt den Jüngern von damals, was fehlt uns, den Jüngern von heute? Er erscheint den Jüngern: der Maria Magdalena, den Zweien auf dem Weg nach Emmaus und schließlich den Elf. Er tut es wieder und wieder bis sie alle erkennen: Er ist auferstanden. Gott hat ihn in seiner Güte und unbegrenzten Liebe auferweckt, um den Jüngern so zu zeigen, dass seine Verkündigung kein Mummenschanz war, dass er wirklich die Vollmacht Gottes hatte und eben nicht von ihm verworfen wurde. Seine Botschaft der unbedingten Liebe Gottes, die die Menschen aus ihrer Isolation führen soll, ist wahr und sie sollen in diesem Wissen leben und handeln! Es ist also ein längerer Prozess, bis die Jünger es begreifen. Länger als die paar Zeilen des Markus es suggerieren: Nur durch die Begegnung mit dem Auferstandenen wird den Jüngern die Kraft und Gewissheit geschenkt, die sie brauchen um seine frohe Botschaft zu verkündigen. Er schenkt ihnen die Kraft in der Begegnung mit ihm. Also suchen auch wir die Begegnung mit dem Auferstandenen: in Brot und Wein, in seinem Wort und in unseren Mitmenschen – wieder und wieder und wieder – damit er uns in unserem Glauben und unserer Liebe stärken kann. So auch und insbesondere in der Osternacht: wir gehen zum Grab eines Toten und finden ihn unter den Lebenden, der uns begegnen will! In diesem Sinne, frohe Ostertage!
[Jonas Schulte-Eickholt]Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.