- Sonntag im Jahreskreis, 18.01.2015 – Zum Evangelium nach Johannes 1, 35-42
Im Evangelium wird Jesus als das „Lamm Gottes“ bezeichnet. Schon zu Lebzeiten wird ihm also die Rolle des Opfers zugesprochen. Stellen Sie sich einmal vor, man würde Ihnen, gerade erwachsen geworden, auf den Kopf zusagen, dass Sie in nicht allzu ferner Zukunft hingerichtet werden. Keine besonders erhebende Aussicht, oder? Würden Sie sich dazu hinreißen lassen, Fremde in Ihre Wohnung einzuladen? Mit ihnen zu feiern?
Vor vielen Jahren kannte ich die Kirche St. Maria Magdalena noch nicht und hatte von der begehbaren Taufstelle nur gehört. Wie das denn praktisch vor sich ginge, fragte ich den Pastor. Und statt einer langen Ausführung, gespickt mit theologischen Feinheiten über die Bedeutung des Geschehens zitierte der Pastor nur: „kommt und seht“. Ich finde Parallelen in den beiden Ausgangslagen.
Das „Lamm Gottes“ geht nicht seiner Hinrichtung entgegen. Das auch, aber eben nicht ohne tieferen Sinn. Denn nach der Hinrichtung, in unserer liturgischen Erinnerung am Karfreitag, folgt die Überwindung des Todes, die Auferstehung am Ostersonntag. Jesus lädt also die Menschen zu sich ein, weil er mit ihnen die Freude daran teilen kann, von einer übermächtigen Kraft belebt zu sein und es zu bleiben. Wie viel Kraft er weitergeben kann, versucht der Evangelist damit zu umschreiben, dass die Jünger ihn erleben und bei ihm bleiben. Dass sie so beeindruckt sind, dass sie anderen von ihrem Erlebnis erzählen und ihrerseits die Einladung weitertragen.
Nichts anderes hat auch der Pastor damals getan, als er nicht umständlich umschrieb, sondern dazu einlud, die Feier selbst zu erleben. Was ich erlebt habe, beeindruckt mich bis heute. Denn die erste Erwachsenentaufe, die ich in St. Maria Magdalena verfolgen durfte, zeigte mir eine junge Frau, die sich über ein Jahr hinweg intensiv mit dem Glauben auseinander gesetzt hatte. Sie weinte vor Rührung, als sie aus dem Wasser stieg. Hier, an dieser Taufstelle und eigentlich an jeder Taufstelle überall auf der Welt, geht die Kirche nicht ihrer eigenen Auflösung entgegen. Sie setzt vielmehr ihren Auftrag fort, sie trägt etwas von der Kraft weiter, die sie belebt. In jeder Taufe werden wir an unsere eigene Taufe erinnert und damit daran, dass wir wie Jesus sterben werden. Aber eben auch, dass uns wie Jesus die Auferstehung bevorsteht. Es ist kein Gewohnheitsritus, wenn sich Menschen mit Weihwasser bekreuzigen, sondern eine bewusste Auseinandersetzung damit, dass man dem ewigen Leben bei und mit Gott entgegengeht.
Im Wort der Bibel und in unserem Gegenüber kann uns Gott begegnen. An vielen Stellen begegnet uns offen oder versteckt eine Einladung, zu kommen und selbst zu sehen. Hingehen müssen wir schon selbst. Aber dann können wir auch erfahren, wie sich Gott an uns verschenkt. In einer Geste, in einem Lächeln, in einer Umarmung oder eben auch in dem kleinen Stück gebrochenen Brotes, welches Teil von uns wird und mit dem wir weitergehen.
Ihnen wünsche ich viel Freude daran, diese Einladung anzunehmen.
Tim Wollenhaupt
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.