Zum Evangelium Joh 9, 1-41 am 4. Sonntag der österlichen Bereitungszeit, 30.03.2014
„Inhaber hat beim Führen von Kraftfahrzeugen geeignete Augengläser zu tragen.“ Kommt Ihnen dieser Satz bekannt vor? Bei mir steht er im Führerschein. Mittlerweile schon etwas verblasst aber – mit Brille – noch gut zu lesen. Wenn ich eine Brille trage, darf ich ein Kraftfahrzeug lenken. Daraus folgt: Vor der Eignungsprüfung zum Erwerb des Führerscheins hat man festgestellt, dass ich etwas schlechter sehe als der Durchschnitt der Menschheit. Und was hat mein Führerschein mit dem Glauben zu tun?
Ständig begegne ich Menschen. Sie gehen mit mir um und ich mit ihnen. Da geht es Ihnen sicher genau so. Und wir werden sicherlich übereinstimmend feststellen: So richtig gerecht sind wir nicht zu allen. Bisweilen noch nicht einmal zu uns selbst. Und dann? Dann haben wir zwar gehandelt, aber es war, um es sehr diplomatisch auszudrücken, optimierungsfähig. „Auf dem einen Auge blind“ oder „wie mit Blindheit geschlagen“, so beschreiben wir dann nachträglich unser Handeln. Dann brauchen wir Hilfe, die uns „die Augen öffnet“.
Im Evangelium begegnet uns der von Geburt an Blinde wie wir selbst. Er ist wie wir, einfach da, aber er kann von sich aus nicht sehen. Erst durch die Berührung durch Jesus wird er befähigt, zu sehen. Auch das kennen wir alle, von einer Begebenheit „angerührt“ zu werden. Für mich ist das die wiederholte Erinnerung daran, dass Gott die Menschen liebt. Mich auch. Und selbst diejenigen, die ich nicht liebe. Dann brauche ich jenes „Licht der Welt“, welches mich berührt. Und dann ist jede Erinnerung daran, dass es diese große Liebe gibt, wie eine Führerscheinprüfung, die mir sagt: Fahre, aber putze vorher Deine Brille. Gehe mit Menschen um, aber nicht egoistisch, sondern mit Liebe. Überprüfe Deinen Blick auf das Geschehen von Zeit zu Zeit und vergewissere Dich, dass das (Augen-)Licht erhalten bleibt.
Der zweite Gedanke des Evangeliums ist die Frage der Prioritäten: Die Pharisäer erkennen einen Verstoß Jesu gegen die Sabbatruhe. Aber selbst sie fragen sich: „Wie kann ein Sünder solche Zeichen tun?“ Was zur Frage führt: Ist die Befolgung eines Gesetztes höherwertiger als ein so bedeutender Akt der Zuwendung? Ihnen und mir wünsche ich, dass uns im entscheidenden Moment das Auge aufgeht für das Wesentliche.
Tim Wollenhaupt
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männer aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.