Zum Evangelium Joh 8, 1-20 am 5. Sonntag der Bereitungszeit, 3.4.2022
Geh, vor die Tore der Stadt! Setz dich in Bewegung, wir werden Dir zeigen, was man mit Ehebrecherinnen macht!“ Das Wörtchen „Geh!“, aber Verachtung, Vorwurf und Verurteilung.
Sie hatten sie schließlich ertappt, auf frischer Tat, bei Unmoral und Unzucht. Und das musste bestraft werden, so etwas kann eine ehrenwerte Gesellschaft schließlich nicht dulden.
Härte und Unbarmherzigkeit Anderen gegenüber sagen ja noch lange nichts über die eigene Fehlerlosigkeit aus. Jesus hat sie schließlich entlarvt, all diejenigen, die nun mit Steinen in der Hand um diese Frau herumstanden.
Jesus kannte sie alle, den politischen und den religiösen Würdenträger, der seinen Stein fest umklammert hielt, bereit, um auf andere zu werfen, nachdem er sein Leben lang schon über Leichen gegangen war, eine Klinke nach der anderen putzte, und alles gesagt hatte, nur nie, was er dachte, um stetig voranzukommen, nur um in der Hierarchie immer weiter zu steigen.
Nicht deshalb trieben sie die Frau vor die Stadt, weil sie angewidert waren von der Schlechtigkeit ihrer Tat, weil ihr Sinn für Gerechtigkeit etwa aufs tiefste verletzt worden war, sie trieben sie hinaus, weil jeder nach außen hin Härte demonstrieren muss, der nur mit Mühe die eigenen Unzulänglichkeiten verbergen kann.
Wie würden wir das Wörtchen „Geh!“ dieser Frau gegenüber heute aussprechen? Nein, wir würden keine Steine mehr werfen, das ist klar. Aber sind die Blicke, die wir manchmal werfen, besser als Steine? Verletzen die Zeigefinger, mit denen wir auf die deuten, die ihr Scheitern nicht mehr verbergen können, weniger als die Steine zur Zeit Jesu? Nein, wir steinigen nicht mehr, aber wir sagen immer noch ganz deutlich: „Geh! Geh besser weg von uns!“ Und selbst wenn wir es nicht aussprechen, der, den es betrifft, der spürt es ganz deutlich. Er spürt deutlich, dass er sich bei uns hier jetzt wohl kaum noch sehen lassen kann. Solange dieses Denken herrscht, solange ich in dieser Gesellschaft nur bestehen kann, wenn ich es fertig bringe meine Fehler zu verbergen, solange unsere Gesellschaft und auch unsere Kirche, sich in dieser bürgerlichen Scheinheiligkeit gefällt, so tut, als wäre sie besonders heilig, zu Fehlern und Vergehen nicht steht, sondern sie schön säuberlich in einer doppelten Moral unter den Teppich zu kehren versucht, solange dies so ist, solange dürfen wir uns nicht wundern, dass all diejenigen, die Jesus damals gerufen hat, diejenigen nämlich, die in ihrem Leben schon einmal gescheitert sind, dass all diejenigen sich in unserer Kirche so wenig beheimatet und so wenig angenommen fühlen.
Den Geschiedenen Wiederverheirateten , den Alleinerziehenden, denen, die ihre Arbeit verloren haben, all denen, die in ihrem Leben schon einmal das Scheitern erlebt haben. All denen sollten wir zurufen „Komm zu uns!“ Sei hier geborgen, und fühl Dich wohl bei uns. Wir sind nicht die Gerechten der letzten Tage, wir sind eine Gemeinschaft von Menschen, Menschen mit all ihren Fehlern, komm und bleib bei uns, und fühle dich angenommen und getragen, denn keiner von uns, nicht ein einziger, ist im letzten besser als du!
Josef Winkler