4. Adventssonntag, 20.12.2020
Zum Evangelium nach Lukas 1, 26 – 38
Wenn jemand ein Detail aus einer zukünftigen Entwicklung verrät, nennt man das heute wohl „spoilern“. In der Werbewelt kennen wir außerdem den Begriff „Teaser“ und wir bezeichnen damit einen Werbefilm, der für das eigentliche Produkt positive Aufmerksamkeit hervorrufen soll. Man soll einen Vorgeschmack, eine Kostprobe dessen bekommen, was man sich noch nicht vorstellen kann, was man für unmöglich hält, was jede eigene Idee sprengt.
Nun, Sprengkraft ist in diesem Text reichlich vorhanden. Auf natürlichem Wege kann sich Maria offenkundig nicht vorstellen, wie sie Gottes Sohn empfangen soll. Wie man es sich für eine gute Begleitung in herausfordernden Situationen nur wünschen kann, sagt der Engel Maria zwei bedeutende Botschaften zu: „Fürchte dich nicht“ und „für Gott ist nichts unmöglich.“
Dieser vierte Advent ist für manche zum Fürchten. Im adventlichen Countdown ist es der letzte Sonntag vor einem Weihnachtsfest, wie es so in jüngerer Zeit nie stattgefunden hat. Ohne pompöse Messe, ohne Gemeinschaft über den allerengsten Familienkreis hinaus, in manchen Fällen ohne die lange ersehnte wie schon zur Tradition zählende Reise, bei einigen Menschen wird auch nichts geschenkt. Nicht nur, weil die Geschäfte geschlossen sind, sondern auch, weil es an den Mitteln dazu fehlt, monatelanger Kurzarbeit wegen. Und wie Maria fragen sich Menschen: „Wie soll das geschehen…?“
Wie sehr wünschte ich mir nun einen Engel, der mir sagt, dass ich mir keine Sorgen machen müsste. Dass für Gott nichts unmöglich sei. Dass das, was mir unvorstellbar erscheint, gut wird. Dass das wenige, was ich bewirken kann, eine Wirkung entfalten wird.
Nun, einen Engel habe ich nicht getroffen. Aber eine begnadete Maria. Und einen ebenso begnadeten Josef, der aber eigentlich ein Mädchen ist und der später in ganz anderer Rolle erscheint. Ja, Sie verstehen jetzt nicht, was ich meine, weil ich jetzt selber als „Spoiler“ unterwegs bin. Das, was das heutige Evangelium beschreibt, war auch als Szene für einen Film zu drehen, der am Heiligen Abend an der Stelle des Krippenspiels gezeigt wird. Ein Film zu Weihnachten? In St. Maria Magdalena? Wie soll das gehen? Unter Corona-Bedingungen. Mit Abstand und Gesangsverbot? Als ich erfuhr, dass in kürzester Zeit ein Film gedreht, geschnitten und pünktlich abgeliefert werden musste, war ich voller Zweifel. Und dann merkte ich, wie viele Menschen ganz abseits von meiner Wahrnehmung schon längst mit den umfangreichen Vorarbeiten begonnen hatten. Was unmöglich erschien, war mit zwei kurzen Besprechungen erledigt. Eine Unzahl von individuellen Telefonaten zwischen der Chorleiterin mit den beeindruckenden jungen Darstellerinnen und Darstellern bereiteten diese auf ihren Einsatz vor. Die Musik und der Gesang waren unter der Mitwirkung von vielen Aktiven aus der Gemeinde und dem ausgesprochen leidensfähigen Tonmeister schon längst im Kasten. Das Unmögliche lag zwei Wochen später vor, weil der videoerfahrene Priester statt lauem Lenz Nachtschichten schob. Es ist eine Wonne, in einem solchen Team mitwirken zu dürfen. Vielen Dank dafür. In gewisser Weise zeigte sich in dieser Gemeinde: Was Dir von Deinem Horizont aus betrachtet unmöglich erscheint, ist locker zu stemmen. Mach Dir keine Sorgen.
Und wenn dieses Erlebnis nur so etwas ist wie die Zusage des Engels? Sei ohne Furcht. Gott ist mit Dir. Auch dann, wenn nichts so läuft, wie Du es kennst. Dann, denke ich, habe ich einen ganz kleinen und feinen Vorgeschmack von dem auf der Zunge, was im heutigen Evangelium steht.
Und Sie hoffentlich auch. Ihnen wünsche ich einen furchtlosen und somit zuversichtlichen vierten Advent.
Tim Wollenhaupt