Zum Evangelium Mt 22, 15-21 am 29. Sonntag im Jahreskreis – 18.10.2020
Da hielten sie ihm einen Denar hin. Er fragte sie: Wessen Bild und Aufschrift ist das? Sie antworteten ihm: Des Kaisers. Darauf sagte er zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!
Dem Kaiser das Geld. Gebt ihm die Ehre, die er von seinen Untertanen fordert. Gehorcht dem Gesetz. Aber nur bis zu einer gewissen Grenze. Glaubt ihm nicht, wenn er sich als Gott darstellt. Und diese Grenze ist das Recht Gottes.
Gebt Gott, was Gottes ist. Was ist denn Gottes? Der Gedanke ist sehr einfach und bestechend zugleich: der Kaiser hat diese Münze geprägt, um zu zeigen, dass das Geld ihm gehört. Aber hat nicht auch Gott sein Bild eingeprägt, und zwar in uns Menschen? Denn so wie die Münze das Bild des Kaisers trägt, tragen wir als Menschen ein anderes Bild, nämlich das Bild Gottes. „Gott schuf den Menschen nach seinem Bild.“ Also gehört der Mensch nicht dem Kaiser, sondern Gott. An dieser Stelle endet das Recht der Obrigkeit oder der vermeintlich Mächtigen oder wie immer man das nennen will.
Die Politik kann bürgerlichen Gehorsam verlangen, sie kann verlangen, dass die Gesetze eingehalten werden, aber sie hat nicht das Recht, den Menschen nach ihrem Bild zu prägen. Sie darf nicht über Glauben und Gewissen bestimmen. Sie darf niemals religiöse Züge annehmen, nach dem Motto „Unsere Fahne führt uns in die Ewigkeit, unsere Fahne ist stärker als der Tod.“ Kein Personenkult um irgendeinen Führer, dem man bis in den Tod folgen muss. Kein Paradies auf Erden, das den Menschen versprochen wird; dieses Paradies ist oft genug zur Hölle geworden. Also gebt dem Kaiser, was er fordert, sagt Jesus. Aber gebt euch nicht selbst. Bindet nicht euer Seelenheil an Menschen.
Und umgekehrt. Keine Religion hat das Recht, die Gesetze eines Staates zu bestimmen. Oder den Menschen den Himmel zu versprechen dafür, dass sie tapfer Krieg führen. Nach dem falsch verstandenen Motto: „Sei getreu bis in den Tod, dann will ich dir die Krone des Lebens geben.“ Das hat man noch vor 100 Jahre (oder genauer gesagt: 1914) auch in Europa versprochen, „Gott mit uns“ auf dem Koppelschloss auf beiden Seiten.
Ich denke, das haben wir hier in Europa gelernt, und ich hoffe, andere Religionen werden es auch bald lernen.
In diesen Grenzen liegt der Spielraum, den wir als Christ*innen zur politischen Mitgestaltung haben. Denn mitgestalten sollten wir. Schließlich gibt es keine Obrigkeit, die uns vorschreiben könnte, wie wir zu leben haben. In einer Demokratie sind wir selbst die Obrigkeit.
Und wir haben als Christ*innen Mitverantwortung für diese Welt. Wie wir diese Verantwortung wahrnehmen, das ist recht offen. Die meisten Demokratischen Parteien vertreten Ideen und Ideale, die dem christlichen Glauben durchaus nahestehen.
Genauer gesagt: die überhaupt erst auf der Grundlage des Christentums entstanden sind.
Unsere Aufgabe bleibt, als Christ*Innen wachsame und kritische Staatsbürger*Innen zu sein und uns dabei immer neu vom Geist Jesu inspirieren zu lassen.
Josef Winkler