- Sonntag der Osterzeit, 29.04.2018 – Zum Evangelium nach Johannes, 15, 1 – 8
Mit diesem Evangelium hatte ich schon als Kind so meine Probleme. Klar, als kleiner Junge bekam ich keinen Wein. Jeder Erwachsene wusste, was Wein ist und hatte es scheinbar leicht, das Bild zu verstehen. Mir wurde das Endprodukt verweigert und ich fragte mich, wie ich dann das Bild verstehen soll. Und überhaupt: Was ist so ein Weinstock? Weintrauben kannte ich. Und bis heute zählen sie zu meinem liebsten Obst. Vermutlich wäre ich ein schlechter Winzer, weil ich die Weintrauben verdrücken würde, anstatt sie zu keltern. Zumal ich bis heute kein Weintrinker bin. Jetzt, wo ich es dürfte, interessiert mich das Endprodukt gar nicht sonderlich.
Aber das Bild finde ich heute etwas leichter zu deuten. Natürlich weiß ich heute, was ein Weinberg ist und selbstverständlich weiß ich, wie mühsam die Arbeit eines Winzers ist. Dieses variantenreiche Rot eines Weines, der in einem leicht beschlagenen Glas beim Schwenken seine Schlieren zieht und der farbenprächtige Glanz, der sich auf ein Tischtuch legen kann, das finde ich schon betörend. Entscheidend kommt mir vor, dass in dem Evangelium gar nicht von dem Wein am Ende die Rede ist. Die Nachfolger Christi sind wie einzelne Trauben in einem Weinstock, der augenscheinlich stets gepflegt, doch nie geerntet wird. Gott als Winzer und die große Verbindung zwischen Rebe und Weinstock wird erwähnt. Was die einzelne Traube an Saft enthält und was daraus werden kann, bleibt verborgen.
Gut, dass ich früher so gerne Trauben gegessen habe. Denn damit bleibt das Bild in mir sehr lebendig. Die Traube an der Rebe bleibt noch lange frisch. Die Traube fern der Rebe wird zur Rosine. Was will ich eher sein? Traube oder Rosine? Oder noch bildhafter: Knackig und saftig oder viel zu süß, trocken und zäh? Geschmacksache, wird man antworten, aber man wird auch hinzudenken, dass die Rosine am Verdorrten, Verstorbenen und endlichen Verfall viel näher dran ist als die Traube an der Rebe.
Und damit bin ich wahrscheinlich am Kern des Evangeliums wie an dem der Traube: Was mir als Christ versprochen ist, ist eine lebendige Verbindung. Ich darf mich verwachsen mit Jesus fühlen. Ziel meines Daseins ist nicht, abzufallen und zu verdorren, sondern Frucht zu bringen, im Leben zu helfen und Frieden zu stiften. „Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe“ – was für eine Verbindung. Untrennbar. Gott gibt mir nicht die Hand und geht vorbei. Gott gibt sich mir in die Hand und ich darf ihn mir einverleiben. Und dann untrennbar mit ihm gehen. Spürbar wird das im Empfang der Kommunion, aber auch dann, wenn es mir gelingt, Menschen freundlich zu begegnen, wenn ein Streit geschlichtet wird.
Ein Evangelium zum Aufleben und das in aller knackigen Saftigkeit. Ihnen wünsche ich einen gesegneten Sonntag und eine lebendige Woche.
Tim Wollenhaupt