- Sonntag im Jahreskreis, 08.10.2017
Zum Evangelium nach Matthäus 21, 33 – 44
Sind Sie Mitglied in einem Club? Oder einem Verein? Vielleicht einer Partei? Sind Sie mindestens Angehöriger eines Staates? Dann wissen Sie: Mitgliedschaft bringt Privilegien. Der „Member“ in einem Club genießt die gediegene Einrichtung und die gepflegte Gesellschaft, normale Menschen müssen draußen bleiben. Der Vereinsangehörige freut sich über Feiern und Vorteile, die nur Mitgliedern zuteil werden oder ihnen wenigstens billiger angeboten werden. Ein Mitglied einer Partei kann den Willen des Volkes bilden und möglicherweise ein Mandat in einem Parlament erringen. Und wer zum Beispiel Angehöriger des deutschen Staates ist, kann nicht ausgewiesen werden. Schön eigentlich, wenn man also „drin“ ist.
Die Winzer im Weinberg des heutigen Evangeliums sind auch „drin“. Sie haben allerdings verwechselt, dass das, was sie nutzen dürfen, tatsächlich noch einem anderen gehört. Dennoch verfahren sie wie Eigentümer, setzen sich über alle Regeln hinweg und töten jeden, der ihnen das vermeintlich Eigene wegnehmen möchte. Das tun sie offenkundig auch noch, als der Sohn und Erbe des Gutsbesitzers auftaucht und sie tun es vollkommen bewusst.
Nun, unabhängig davon, ob wir Staatsanghörige, Mitglieder oder sonst Dazugehörige sind, wir sind immer auch zugleich diejenigen, die mit dem umgehen, was uns als Schöpfung anvertraut ist. Wir leben alle in dieser Welt und nicht selten leben wir auch von dieser Welt. Klar, wir sind nur geboren worden, niemand von uns hat einen Pachtvertrag mit dem Gutsbesitzer der Welt abgeschlossen. Oder doch?
Der Gutsbesitzer in dem Gleichnis des heutigen Evangeliums ist Gott. Seine Knechte sind die Propheten, sein Sohn ist Jesus. Nun könnten wir uns zurücklehnen und sagen: Im Evangelium wird die Tötung Jesu beschrieben, wir sind nicht diejenigen, die dafür Verantwortung tragen, was kann uns also schon passieren? Was aber ist, wenn Jesus tatsächlich, wie versprochen, mitten unter uns ist? Was, wenn das Wort Gottes jeden Tag lebt? Dann gibt es jeden Tag unzählige Chancen, das Wort zu brechen, eine kleine Ahnung vom Reich Gottes umzubringen. Jeder von uns nutzt diese Chance.
Was Jesus im Gleichnis ankündigt, ist der Kontrapunkt zum Gedanken der Gnade. Wir dürfen uns Gottes Liebe auch dann sicher sein, wenn wir sie nicht „verdient“ haben. Wir dürfen und sollen mit der Schöpfung umgehen. Aber wir sollen nie die Gutsherrschaft Gottes aus dem Blick verlieren. Jemand, der seine Angestellten über Gebühr belastet, eine politische Mehrheit, die sich gegen den Erhalt von Schöpfung in Stellung bringt, ein Mensch, der sich ohne Rücksicht nur nimmt, was zu bekommen ist, kann nicht aus dem Gebot der Nächstenliebe heraus handeln. Die Arbeit in Gottes Weinberg hat nichts mit dem Pflanzen zu tun oder der Abgabe einer Gebühr. Sie erschöpft sich auch nicht im Bestellen eines Feldes. Der Weinberg Gottes gebietet uns, sich unserer Wurzeln immer wieder bewusst zu werden und einander darum in dem zu begegnen, was Gott uns zusagt: Liebe.
Einen gesegneten Sonntag und reiche Frucht wünscht Ihnen
Tim Wollenhaupt