Zum Evangelium Mt 9,36 – 10,8 am 11. Sonntag im Jahreskreis (18. 06. 2017)
Wenn ich das Evangelium des heutigen Sonntags höre, fallen mir verschiedene Menschen ein, z.B.:
- Sanaa – Sie ist aus Syrien geflüchtet. Wollte seit Jahren Christin werden, was ihr aber immer wieder verweigert wurde. Endlich findet sie Verständnis und Aufnahme und wird am Pfingsttag 2017 getauft. Überglücklich erklärt sie: „Ich bin nicht tot. Ich lebe in Christus!“
- Rupert Neudeck hörte 1979 von der Not so vieler vietnamesischen Flüchtlinge im Südchinesischen Meer. Zusammen mit seiner Frau und mit Unterstützung von Heinrich Böll gründete er das Komitee „Ein Schiff für Vietnam“ und wurde damit für Hunderte von Flüchtlingen zum Lebensretter. Bis zu seinem Tod 2016 war er unermüdlich für andere engagiert.
- Und Nelson Mandela schreibt über seinen langen Weg zur Freiheit: „Während der langen, einsamen Jahre (der Haft) wurde aus meinem Hunger nach Freiheit für mein eigenes Volk der Hunger nach Freiheit aller Völker, ob weiß oder schwarz. […] Ein Mensch, der einem anderen die Freiheit raubt, ist ein Gefangener des Hasses.[…] Der Unterdrückte und der Unterdrücker sind gleichermaßen ihrer Menschlichkeit beraubt. Als ich das Gefängnis verließ, war es meine Aufgabe, beide, den Unterdrücker und den Unterdrückten zu befreien.“
- Die Aktion Canchanabury engagiert sich seit 50 Jahren mit vielen Helfern und Unterstützern u.a. für Menschen in Ländern des Südens, die von Aids und Lepra betroffen sind. Ihnen schafft sie Zugang zu Gesundheit und Bildung und verbessert nachhaltig ihre Lebensbedingungen.
- Zusammen mit Tausenden von Ehrenamtlichen sind auch hier bei uns in Höntrop und Eppendorf unzählige Frauen und Männer in der Flüchtlingshilfe engagiert, setzen sich ein, wo Not ist, helfen bei Sprache und Integration, begleiten im Alltag.
Solche Menschen fallen mir ein, wenn ich das Evangelium des heutigen Sonntags höre:
„Dann rief Jesus seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben und alle Krankheiten und Leiden zu heilen.“ Und er gibt ihnen folgenden Auftrag:
„Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe. Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.“
(Mt 10,1.7f)
Die Beispiele zeigen, wie Jesu Auftrag an seine Jünger von damals heute umgesetzt werden kann – in Wort und Tat. Und Jesu Auftrag betrifft nicht nur die Apostel und ihre Nachfolger, sondern alle Jüngerinnen und Jünger, also auch dich und mich!
Besonders fasziniert mich der letzte Satz: „Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.“ Dabei geht es nicht um eine moralische (Über-)Forderung, sondern um ein WEITERSCHENKEN dessen, was wir bereits – gratis, unverdient und ohne Vorbedingung! – empfangen haben – als Geschenk seiner maßlosen Liebe. Es geht also darum, diese Liebe anzunehmen und in der Kraft dieser Liebe weiter zu schenken, was diese Liebe uns in den jeweiligen Situationen des Lebens an Gutem, Befreienden und Belebenden für andere tun lässt.
Was das in unserer Zeit bedeuten kann, habe ich in einer Zukunftsvision bei Generalvikar Klaus Pfeffer gefunden. Er beschreibt die Christen der Zukunft als Jüngerinnen und Jünger Jesu so:
„Sie strahlen etwas aus. Sie ruhen in sich, getragen von einer inneren Kraft, einer Überzeugung, die sie leitet. Sie gehen achtsam und feinfühlig mit anderen um, haben ein offenes Ohr für das, was andere bewegt. Sie sind aufmerksam und nehmen vieles wahr, was andere übersehen. Und sie sind hilfsbereit, verlässlich und setzen sich ein, wo Not ist. Von ihnen geht eine freundliche Wärme aus. (…) Sie sind gefragte Gesprächspartner. … Denn sie können bei schwierigen Fragen des Lebens immer eine neue Perspektive einbringen und wissen auch in scheinbar ausweglosen Situationen noch einen Weg – und wenn es nur der ist, unlösbare Probleme schlichtweg durchzustehen…“
(s. http://www.futur2.org/article/eine-zukunftsvision-fuer-die-kirche/)
Burkhard Schönwälder