4. Sonntag der Osterzeit, 21.04.2024
Zum Evangelium nach Johannes 10, 11 – 18
11 Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. 12 Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen, lässt die Schafe im Stich und flieht; und der Wolf reißt sie und zerstreut sie. Er flieht, 13 weil er nur ein bezahlter Knecht ist und ihm an den Schafen nichts liegt. 14 Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, 15 wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe. 16 Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten. 17 Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen. 18 Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es von mir aus hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen. Diesen Auftrag habe ich von meinem Vater empfangen.
Ich bin ein Stadtkind. Schon immer gewesen. Selbst im Urlaub ist es ausgesprochen selten, dass es mal wirklich ländlich wird. Aber selbst mir ist das schon passiert. Wenn ich dieses Evangelium lese, denke ich automatisch an Irland. Wer dort Dublin hinter sich lässt – und das geht recht zügig – der durchstreift mitunter weite und verlassen wirkende Gegenden. Auf asphaltierten Straßen liest man dann bisweilen in großen Lettern folgenden Text aufgemalt: „Sheep crossing“ oder die kürzer gefasste Version „Sheep xing“. Schafe kreuzen den Weg. Das tun sie in aller Regel unbegleitet, mit einem farbigen Klecks auf dem verlängerten Rücken und vor allem: Die Schafe haben immer Vorfahrt. Dafür haben sie keinen Schäfer oder einen Hirten. Deshalb tragen sie die farbigen Markierungen im Fell, damit man sie auch nach langer Zeit noch dem eigentlichen Eigentümer zuordnen kann. Den weitaus größten Teil verbringen die Schafe frei auf dem vielfach besungenen Grün der „grünen Insel“. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Iren zwar Schafe in großer Zahl besitzen, aber keine Wölfe zu fürchten brauchen. In Irland fehlt es sowohl an Hirten als auch an Knechten. Und doch werden die Schafe regelmäßig zur Schur getrieben, selbst bei gemischten Herden wird auf ihre Gesundheit geachtet und alle Verkehrsteilnehmer sind zur Rücksichtnahme besonders verpflichtet.
Ein wenig erinnert diese Situation an das Evangelium. Mehrere Herden werden erwähnt, die unterschiedlichen Gefahren werden benannt und Jesus erwähnt sowohl seine Verantwortung als auch seine Macht. Nicht nur, dass er über Leben und Tod entscheiden darf und soll, er verweist auf seine Möglichkeit, sein Leben hinzugeben, weil er es wieder zurückerlangen kann. Das klingt im ersten Moment nach einer gewissen Risikolosigkeit für Jesus. Was kann er schon verlieren, wenn es sich jederzeit wieder nehmen kann? Doch es geht weit über das persönliche Risiko hinaus: Jesus verweist darauf, dass für ihn als Hirten im Auftrag Gottes der Tod nicht das Letzte ist. Weder für sich selbst, noch für seine Schafe. Und so interessant und frei das Leben eines irischen Landschafes auch sein mag: Ich wäre doch gerne Schaf in der Herde Jesu. Denn dann hätte ich nicht nur einen überaus mächtigen und verantwortungsbewussten Hirten, sondern bräuchte keine Sorge vor dem Tod zu haben.
Wenn ich jetzt noch von dem lockigen Bild des blökenden Schafes abweiche, dann bleibt im Text nur noch eine Bestärkung übrig. Und was für eine.
Ihnen und mir wünsche ich ein entspanntes Grasen. Auf jeder Wiese und bis über den Tod hinaus.
Tim Wollenhaupt