6. Sonntag im Jahreskreis, 11.02.2024
Zum Evangelium nach Markus 1, 40 – 45
40 Ein Aussätziger kam zu Jesus und bat ihn um Hilfe; er fiel vor ihm auf die Knie und sagte: Wenn du willst, kannst du mich rein machen. 41 Jesus hatte Mitleid mit ihm; er streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will – werde rein! 42 Sogleich verschwand der Aussatz und der Mann war rein. 43 Jesus schickte ihn weg, wies ihn streng an 44 und sagte zu ihm: Sieh, dass du niemandem etwas sagst, sondern geh, zeig dich dem Priester und bring für deine Reinigung dar, was Mose festgesetzt hat – ihnen zum Zeugnis. 45 Der Mann aber ging weg und verkündete bei jeder Gelegenheit, was geschehen war; er verbreitete die Geschichte, sodass sich Jesus in keiner Stadt mehr zeigen konnte; er hielt sich nur noch an einsamen Orten auf. Dennoch kamen die Leute von überallher zu ihm.
Jeder kennt jemanden, der krank ist. Wirklich krank. So krank, dass alle Bemühungen hoffnungslos scheinen. Bisweilen kennt man diesen Kranken sehr gut, da man sie oder ihn täglich im Spiegel sieht. Man versucht alles, diagnostiziert und therapiert nach Menschemmöglichem, doch es fruchtet nichts. Nun, da alles Menschliche erschöpft ist, kann nur noch der Übermenschliche helfen, also Gott in Form seines Sohnes Jesus.
Man kann verstehen, dass man eine Heilung dann nicht mehr als bestellbare Dienstleistung empfindet, sondern als Gnade, um die man allenfalls bitten kann. So stellt sich die Situation am Anfang des Evangeliums dar, so ist sie leicht verständlich. Umso erstaunlicher finde ich, dass das eigentliche Heilsgeschehen gar nicht im Mittelpunkt des Textes steht. Die Geschichte endet nicht im Wunder. Das könnte der zeichensetzende Höhepunkt sein, Jesus als Erlöser präsentieren und man könnte nur staunen.
Doch die Geschichte geht weiter, als Jesus den Geheilten anweist, darüber zu schweigen, sich lediglich seinem Priester zu zeigen und ein Opfer zu bringen. Nun könnte man aus menschlicher Erfahrung sagen: Ein Geheimnis wird dann am schnellsten publik, wenn man die Geheimhaltungsstufe erhöht. Doch es ist nicht zu erwarten, dass man einen Marketingtrick bei Jesus verortet. Dass der Geheilte seine Genesung publiziert, ist vielleicht allzu verständlich, seine Hoffnung ist erfüllt worden, sein Leiden fort und seine Freude vermutlich unübertrefflich. Seine Freude führt zu einem Nebeneffekt, den der Evangelist damit umschreibt, dass Jesus nachgestellt wird, obgleich er größere Ansammlungsorte meidet. Die Freude des Geheilten hindert den Weltenretter am Werk, zumindest an der Vorbereitung desselben.
Vielleicht gibt es aber noch etwas anderes als die erzählte Öffentlichkeit. „Ich will – werde rein!“ ist ein Dialog. Ein intensives Gespräch unter zwei Menschen. Genauer: Unter einem Menschen und Gott. Das nennt man gemeinhin Gebet. Normalerweise gibt es in der Zwiesprache mit Gott keine unmittelbare Antwort, wohl aber bisweilen die Klärung von Gedankengängen, Selbstreflektion und eine klarere Struktur für das zukünftige Handeln. Und wenn Jesus genau das bezwecken wollte? Wenn der Geheilte sich nur die erfahrene Gnade bewusst machen sollte? Für ein ganz tiefes, dauerhaftes und individuelles Verhältnis zu seinem Gott, der ihm nicht nur ewiges Leben verheißen, sondern auch das irdische Leben erleichtert hat? Dann kann das Ausposaunen dieser Erfahrung dem Verinnerlichen im Wege sein.
Wie heißt es im ersten Satz des ersten Gebots noch? „Ich bin der Herr, dein Gott…“ Persönlicher kann man ein Verhältnis nicht beschreiben. Um das zu begreifen, hilft mir nicht die große Öffentlichkeit, sondern nur ich mir selbst.
Ihnen (und mir) wünsche ich die Gelassenheit, eine erfahrene Freude im eigenen Herzen zur Blüte bringen zu können.
Tim Wollenhaupt