Zum Evangelium nach Matthäus 13, 44 – 52 – 17. Sonntag im Jahreskreis, 30.07.2023
44 Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn und grub ihn wieder ein. Und in seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte den Acker. 45 Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. 46 Als er eine besonders wertvolle Perle fand, ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte sie.
47 Wiederum ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Netz, das ins Meer ausgeworfen wurde und in dem sich Fische aller Art fingen. 48 Als es voll war, zogen es die Fischer ans Ufer; sie setzten sich, sammelten die guten Fische in Körbe, die schlechten aber warfen sie weg. 49 So wird es auch bei dem Ende der Welt sein: Die Engel werden kommen und die Bösen aus der Mitte der Gerechten aussondern 50 und sie in den Feuerofen werfen. Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein.
51 Habt ihr das alles verstanden? Sie antworteten ihm: Ja. 52 Da sagte er zu ihnen: Deswegen gleicht jeder Schriftgelehrte, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, einem Hausherrn, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorholt.
Regelmäßig ist ein Schatz Gegenstand unserer Überlegungen. Und regelmäßig sieht dieser Schatz auch immer gleich aus: In einer schweren Truhe, die auch noch von einem soliden Vorhängeschloss gesichert ist, ruhen Schmuck und Münzen. Der Schatz liegt an einem geheimen Ort, die Karten dazu sind verschlüsselt, wo Karten fehlen, geht ein vertrauliches Wort von Mund zu Ohr. Hebt man einen Schatz, dann blinkt und strahlt es kraftvoll und mindestens für eine Weile hat man ausgesorgt. Ob man nun mittelalterliche Kostüme, ein Piratenszenario oder den Karl May’schen Silbersee hinzuromantisiert, ist egal, dem verlockenden Bild einer Schatztruhe verschließt sich bis heute kaum jemand.
Offenkundig war es vor zweitausend Jahren ganz genauso. Ob es um den Schatz im Acker oder die einzelne Perle geht: Die damaligen Zuhörerinnen und Zuhörer haben bei der Aussicht auf derlei Preziosen gewiss einen ähnlichen Glanz im Auge gehabt wie heute.
Und doch gibt es einen gewaltigen Unterschied. Wer einen Schatz heute findet, wird ihn sichtbar und nutzbar machen. Entweder man erringt Ruhm dafür, dass man den Schatz fand und ihn einem Museum gab oder aber man erlangt Finderlohn. Bisweilen kann man aus einem Schatz auch stückchenweise eine Menge Profit schlagen und so immer wieder von diesem Schatz etwas für das Leben abzweigen.
Die beiden Finder im Evangelium aber sind anders. Sie finden zwar, aber sie geben nicht her, was sie schließlich besitzen. Beide Finder enden zwar im Besitz des Schatzes, ansonsten aber bettelarm. Was also haben sie von ihrem Schatz? Was ist so viel wichtiger als mindestens temporärer Wohlstand? Jesus lässt den Schatz gerade nicht blinken. Er hat keinen Marktwert, aber doch geben die Finder alles für ihn. Das Leben ist unendlich viel wertvoller als alles, was wir besitzen können. Und für den, der sich für das Leben über das irdische Leben hinaus entscheidet, verliert alles Irdische an Wert.
Zugegeben, etwas wirtschaftliche Sicherheit ist hilfreich. Aber wenn wir erkennen, dass über diese Sicherheit hinaus ein Idealbild noch wertvoller ist, definieren wir den Begriff „Schatz“ plötzlich anders. Jeder, der zu seinem Lieblingsmenschen schon einmal „Schatz“ gesagt hat, wird ihn weder ausstellen noch vergraben wollen, sondern das gemeinsame Leben schätzen.
Ihnen und mir wünsche ich, Schatz zu sein. Das Gefühl, von unendlichem Wert zu sein, stärkt. Diesen Wert in sich verankert zu sehen und von diesem Wert abzugeben, ohne dem Abschmelzen des eigenen Wertes zusehen zu müssen, erscheint mir eine ganz eigene Form von Reichtum zu sein. Einer, der nicht von dieser Welt ist. Überhaupt nicht romantisch. Ganz und gar nicht glänzend. Aber dafür auch unvergänglich.
Tim Wollenhaupt