Zum Evangelium Lk 2, 16-21 am Neujahrstag 2023
16 So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. 17 Als sie es sahen, erzählten sie von dem Wort, das ihnen über dieses Kind gesagt worden war. 18 Und alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen von den Hirten erzählt wurde. 19 Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen. 20 Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für alles, was sie gehört und gesehen hatten, so wie es ihnen gesagt worden war. 21 Als acht Tage vorüber waren und das Kind beschnitten werden sollte, gab man ihm den Namen Jesus, den der Engel genannt hatte, bevor das Kind im Mutterleib empfangen war.
Ein in vieler Hinsicht verstörendes Jahr 2022 liegt hinter uns. Hatten wir alle nach den Pandemiejahren auf eine Entspannung gehofft, überschattet seit Februar der unsägliche Krieg in der Ukraine das Leben.
Wer hätte gedacht, dass es im 21. Jahrhundert wieder zu einem solchen Angriffskrieg kommt, der das Völkerrecht negiert und damit die Selbstverständlichkeit der Friedensordnung in Europa infrage stellt. Die Folgen dieses Krieges sind unsäglich – vor allem für die unmittelbar betroffenen Menschen in der Ukraine. Bedauernswert sind aber auch die Soldaten, die als Kanonenfutter für die absurden Pläne und Ziele einer Führungselite mit Hybris und rückwärtsgewandtem imperialen Denken missbraucht und „verbrannt“ werden.
Neben der humanitären Katastrophe sind die (welt-)wirtschaftlichen Auswirkungen dieses Krieges bedrückend und für viele Menschen auch ernsthaft bedrohlich, die den Folgen der Inflation kaum etwas entgegenzusetzen haben. Wieviel Gutes könnte man weltumspannend mit dem Geld bewirken, das nun in Waffen gesteckt wird! Welche Wunden schlägt dieser Krieg auch der Natur und kontrakariert damit die so notwendigen Bemühungen um deren Schutz und Regeneration! Auch an vielen anderen Ecken der Welt brennt es. Die Ereignisse im Iran oder der sich erneut zuspitzende Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo sind nur zwei Beispiele. Eine weitere Aufzählung von Konfliktherden würde Seiten füllen. Wie soll das alles weiter gehen?
Vielleicht nehmen wir die Botschaft der Geburt Jesu im Hinblick auf all diese Ereignisse noch einmal ganz neu wahr. Was gibt uns das heutige Sonntagsevangelium mit auf den Weg für 2023? Ich denke, es sind zwei ganz unterschiedliche Haltungen, die aber beide für sich wegweisend sein können.
Da ist zum einen Maria. Sie „bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach“. Und was da über sie hereingestürzt ist in ihrem noch jungen Leben! Sie, das noch ledige junge Mädchen, ist plötzlich schwanger, eine Katastrophe für eine Frau in der damaligen Zeit und Gesellschaft. Gott sei Dank (im wahrsten Sinne des Wortes) steht Josef zu ihr. Aber die Umstände der Geburt sind alles andere als komfortabel. Ihr Leben hat sie sich bestimmt anders vorgestellt! Und dann der Besuch der Hirten, wilde Burschen, mit Weissagungen über dieses Kind im Gepäck, die doch sehr verwirrend sein mussten: Ich – die Mutter eines solchen Kindes? Eine Panikattacke wäre da durchaus verständlich gewesen. Aber Maria nimmt alles erst einmal in sich auf, „lässt es sacken“ und in sich wirken. So gelingt es ihr, sich immer mehr einzulassen auf ihre Aufgabe in Gottes Plan.
Anders die Hirten. Aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung am Rande der Gesellschaft, waren sie nicht per se die erste Adresse für weltbewegende Nachrichten. Es trifft auch sie überraschend und sie handeln impulsiv. Sie werden aktiv, machen sich auf den Weg, finden das verheißene Kind so vor, wie es ihnen beschrieben wurde und lassen sich von Herzen dankbar auf die Botschaft ein. Und ihre neue Hoffnung wird nicht unbemerkt geblieben sein. Denn wovon das Herz voll ist, da quillt der Mund über. Diese Frohbotschaft wird Kreise gezogen haben. Alle, die mit ihnen in Verbindung kamen, müssen gespürt haben: Da ist etwas Wunder-Bares passiert!
Zwei ganz unterschiedliche Reaktionen auf dieses so außergewöhnliche Ereignis der Geburt des Erlösers der Menschen, beide dem Geschehen angemessen, beide „typgerecht“, wie wir es vielleicht heute formulieren würden.
Und beide Reaktionen empfinde ich auch für uns als wegweisend:
Es gibt so viele widersprüchliche, verwirrende und auch sehr beängstigende Entwicklungen um uns herum. Da tut es gut, zunächst innezuhalten, die Eindrücke in sich aufzunehmen und zu „verarbeiten“, um daraus besonnenes Denken und Handeln reifen zu lassen – allemal besser, als jede Meldung, egal welchen Wahrheitsgehalt sie faktisch hat, gleich weiter zu „posaunen“ durch die vielfältigen Kanäle unserer digitalisierten Welt.
Aber, was die Hirten tun, ist ebenso angemessen und richtig. Sie lassen sich bewegen von der Botschaft der Hoffnung, lassen sich vom Anblick des Fleisch gewordenen Wortes beschenken und werden so zu Boten der Hoffnung für alle, die in Kontakt mit ihnen kommen. Die beiden Priester der griechisch-katholischen Kirche, die sich in den Bistümern Münster und Essen besonders um hier lebende, oft traumatisierte Geflüchtete aus der Ukraine kümmern, haben im Online-Gottesdienst am Heiligen Abend von dieser Haltung vieler Menschen im Kriegsgebiet und hier berichtet und Zeugnis gegeben.
Bei all dem Ungewissen, bei all dem Besorgniserregenden und Erschreckenden, das uns in dem nun beginnenden Jahr 2023 erwarten mag – Gottes Wort, seine Zusage, ist Fleisch geworden und hat unter uns gelebt. Und so gilt für uns sein Wort auch für das neue Jahr: ICH BIN BEI EUCH ALLE TAGE BIS ANS ENDE DER WELT.
Lasst uns diese Botschaft in unseren Herzen tragen, dass sie unser Denken, Reden und Handeln bestimmt! Wir alle sind getauft zu Priestern, Königen und Propheten- und wir sind Hirten, die sich kümmern um andere Menschen. Wir sind den Entwicklungen dieser scheinbar immer verrückter werdenden Welt nicht hilflos ausgesetzt!
Ja, 2023 ist ein Neuanfang!
In diesem Sinne wünsche ich allen ein gutes und gesegnetes Jahr.
Maria Schmale