Zum Evangelium Lk 6, 27-38 am 7. Sonntag im Jahreskreis – 20.2.2022
27 Euch aber, die ihr zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen! 28 Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch beschimpfen! 29 Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin und dem, der dir den Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd! 30 Gib jedem, der dich bittet; und wenn dir jemand das Deine wegnimmt, verlang es nicht zurück! 31 Und wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut auch ihr ihnen! 32 Wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Dank erwartet ihr dafür? Denn auch die Sünder lieben die, von denen sie geliebt werden. 33 Und wenn ihr denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Dank erwartet ihr dafür? Das tun auch die Sünder. 34 Und wenn ihr denen Geld leiht, von denen ihr es zurückzubekommen hofft, welchen Dank erwartet ihr dafür? Auch die Sünder leihen Sündern, um das Gleiche zurückzubekommen. 35 Doch ihr sollt eure Feinde lieben und Gutes tun und leihen, wo ihr nichts zurückerhoffen könnt. Dann wird euer Lohn groß sein und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen. 36 Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist! 37 Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden! Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden! Erlasst einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden!
Kennen sie (noch) diesen Spruch: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem Anderen zu“? Ich habe ihn in meiner Grundschulzeit – froh keinen langen Sermon abschreiben zu müssen – in so manches Poesiealbum geschrieben. Kurz und knackig und mir schon als Kind eingängig. Erst später wurde mir bewusst, dass es sich um eine tradierte Lebensweisheit handelt, die sich negativ oder positiv formuliert ähnlich in den Schriften verschiedenster Kulturen und Religionen findet. Jesus formuliert diese Weisheit positiv und bettet sie ein in seine Aufforderung zur höchsten Form der Nächstenliebe, der Feindesliebe: „Und wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut auch ihr ihnen!“
Wie viel einfacher wäre doch das menschliche Zusammenleben – ob im privaten, ob im öffentlichen, ob im globalen Bereich, würden wir dieser zentralen Aufforderung Jesu folgen!
Sie beinhaltet nämlich zum einen, dass wir uns erst einmal damit auseinandersetzen müssen, was wir für uns wollen. Was bewirkt, dass wir uns in unserer Haut wohlfühlen? Wie möchten wir behandelt werden – sowohl als einzelner Mensch, wie auch als Gemeinschaft? Wie erfahren wir die Wertschätzung, die uns aufrichtet zu dem von Gott geliebten und ins Leben gerufenen Menschen?
Zugleich ruft Jesus dazu auf, einen bewussten Perspektivwechsel vorzunehmen, indem wir unserem Gegenüber, unabhängig von Sympathie oder Antipathie, zugestehen, dass auch Sie/Er bzw. die andere Gemeinschaft ebenso wertschätzend behandelt werden möchte.
Was heißt das für uns als Menschen und gerade auch als Christen? Mir gehen da folgende Gedanken durch den Kopf: Wenn wir daran glauben, dass Gott uns ins Leben gerufen hat und uns zusagt, dass wir seine Kinder sind, die er unbedingt liebt – wer sind wir, dass wir dies anderen Menschen absprechen? Diese aus dem Glauben erwachsene Erkenntnis macht es leichter, auch den Menschen mit Respekt zu begegnen, zu denen der Zugang schwerfällt.
Das heißt nicht, dass damit jegliches Unrecht einfach mit einem Seufzer oder gar Achselzucken abgetan wird. Es muss uns gerade deshalb schier unerträglich sein, wenn Menschen sich über andere erheben und einander auf vielfältigste Weise Unrecht tun. Aber schenkt uns die Zusage Gottes zu den Menschen nicht die Basis, um überhaupt einen Weg zu finden, der Spirale von Gewalt und Unrecht Einhalt zu gebietet? Jeder und Jede von uns kann auf diese Weise mitwirken in unterschiedlichsten Umfeldern und Lebenssituationen. Dass das nicht einfach ist, damit werden wir tagtäglich in den Weltnachrichten konfrontiert. Unmöglich ist es aber nur, wenn wir vergessen, wozu wir berufen sind.
Maria Schmale