18. Sonntag im Jahreskreis, 01.08.2021
Zum Evangelium nach Johannes 6, 24 – 35
24 Als die Leute sahen, dass weder Jesus noch seine Jünger dort waren, stiegen sie in die Boote, fuhren nach Kafarnaum und suchten Jesus. 25 Als sie ihn am anderen Ufer des Sees fanden, fragten sie ihn: Rabbi, wann bist du hierhergekommen? 26 Jesus antwortete ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid. 27 Müht euch nicht ab für die Speise, die verdirbt, sondern für die Speise, die für das ewige Leben bleibt und die der Menschensohn euch geben wird! Denn ihn hat Gott, der Vater, mit seinem Siegel beglaubigt. 28 Da fragten sie ihn: Was müssen wir tun, um die Werke Gottes zu vollbringen? 29 Jesus antwortete ihnen: Das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat. 30 Sie sagten zu ihm: Welches Zeichen tust du denn, damit wir es sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du? 31 Unsere Väter haben das Manna in der Wüste gegessen, wie es in der Schrift heißt: Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen. 32 Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. 33 Denn das Brot, das Gott gibt, kommt vom Himmel herab und gibt der Welt das Leben. 34 Da baten sie ihn: Herr, gib uns immer dieses Brot! 35 Jesus antwortete ihnen: Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.
Bei uns zuhause gab es an jedem Tag ein Frühstück. Eigentlich haben wir das Haus ohne Frühstück nur verlassen, wenn wir die Zutaten für ein Frühstück noch besorgen wollten. Meist war das in meiner Kinderzeit ein Samstag, denn sonntags hatten die Bäckereien noch geschlossen. Nur dann, wenn sich die gesamte Familie mit Zeit und Muße zusammensetzte, gab es frische Brötchen. Weit musste man dafür nicht laufen, denn in unserer unmittelbaren Umgebung gab es mindestens vier Bäckereien und jede hatte ihre besonderen Spezialitäten. Später trat bisweilen auch der Donnerstag hinzu, ein Markttag. Seit vielen Jahren steht auch auf unserem Markt ein Bäckerstand mit Backofen. Warme Brötchen gelten für mich bis heute als ausgemachte Delikatesse. Das Aroma, die angenehme Wärme, die außergewöhnliche Knusprigkeit, die widerstandsfähige Außenhaut und das zarte Innere – das ist nur schwer zu toppen. Brot und Brötchen gehören zu meinem Alltag untrennbar hinzu. Die Idee, morgens lediglich mit einem Getränk im Bauch das Haus für längere Zeit verlassen zu müssen, gehört für mich zu den unerwünschten Vorstellungen. Wie ein sich schließender Kreis war ein besonderer Sommerabend dann gegeben, wenn es einen „bunten Teller mit Schnittchen“ gab. Kleine, appetitliche Häppchen auf frisch aufgeschnittenem Brot, garniert mit ein paar hartgekochten Eiern, Tomaten und Gewürzgurken, das Ganze im Freien serviert und als kleine Belohnung für das Rasenmähen oder Unkrautzupfen gedacht – herrlich.
Im Prinzip ist Brot recht einfach herzustellen. Zu jeder Zeit und an unzählig vielen Orten dieser Welt. Gemessen an manch einer herausragenden kulinarischen Meisterleitung eines hochdekorierten Spitzengastronomen ist Brot verhältnismäßig simpel. Aber eben lecker und sättigend. Jesus als Billigware? Jesus als Alltagsgegenstand? An jeder Ecke zu haben?
Eben nicht. Das Aroma frischen Brotes ist und bleibt betörend. Wenn wir um das „tägliche Brot“ bitten, ist es auch frisch, knusprig und aromatisch. Selbst dann, wenn wir uns jetzt vor unserem geistigen Auge eine herkömmliche Hostie vorstellen. Aber eine Hostie ist ein fühlbares Bild. Mehr nicht. Keine Hostie will eine Köstlichkeit aus einer Sterneküche sein. Aber dafür sehr wohl ein Alltagsbegleiter. Wobei das nicht „normal“ oder „nebensächlich“ ist wie etwa ein Duschgel oder ein Parfüm. So etwas nutzen wir meist auch ohne Hochachtung, ein Leben ohne Parfüm ist gewiss möglich und nicht weniger lebenswert. Aber ein Leben ohne Brot? Ein Leben ohne Gottes Begleitung?
Natürlich will die Hostie mich nicht im klassischen Sinne sättigen. Aber Gott möchte mich mit dieser kleinen Geste daran erinnern, dass mein Leben mit Liebe angefüllt ist. Mindestens mit Gottes Liebe. Jesus hat nicht vor, die Gläubigen in ein Fast-Food-Restaurant einzuladen. Aber mit ihm gibt es keinen Hunger nach Begleitung mehr. Mit ihm wird der Appetit auf das Leben nicht kleiner. Jesus ist der Vorgeschmack des Lebens mit Gott.
Heute fehlen die allermeisten Bäckereien meiner Kindheit. Sonntags haben zwar die Bäcker geöffnet, aber der Weg ist viel länger geworden. Mit Kirchen ist es ähnlich. Auch hier nimmt die Zahl stetig ab. Zukünftig wird es mehr Kirchen geben, aber deutlich weniger Priester. Die Wege zur Eucharistie werden länger.
Da hilft es mir sehr, dass Jesus betont: Ich bin das Brot des Lebens. Ja, es mag sein, dass wir eine besondere Feier in der Eucharistie feiern. Und viele werden das Erlebnis des Kommunionempfangs als ganz entscheidenden Höhepunkt empfinden, da Gott im gewandelten Brot gegenwärtig ist. Aber das ist Gott auch in allen anderen Momenten, wenn wir es zulassen: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Matthäus 18, 20). Der Mangel an Priestern und vielleicht der weitere Weg zur Kirche vergrößert bestenfalls die Distanz zwischen den Menschen und dem feierlichen Zeichen. Aber es ist keine Distanz zwischen Gott und den Menschen.
Es ist angerichtet. Für Sie, für mich, für alle und für immer.
Tim Wollenhaupt