4. Sonntag im Jahreskreis, 31.01.2021
Zum Evangelium nach Markus 1, 21 – 28
Neue Besen kehren gut. Sagt man. Und während es wie ein Lob des neuen Werkzeugs klingt, wird das Sprichwort auch gerne genutzt, wenn ein neuer Abteilungsleiter, eine neue Chefin den Dienst aufnimmt.
In diesen Fällen gibt es immer wieder zwei Lager zu beobachten. Die einen, die es mit den neuen Methoden versuchen wollen und diejenigen, die am Althergebrachten festhalten wollen. Meist führen beide Lager überzeugende Gründe für ihr Verhalten ins Feld. Die Frage des heutigen Evangeliums, ob der Prediger „mit Vollmacht“ lehre, kennt man im irdischen Leben unter den Formulierungen „hat der überhaupt einen Abschluss?“ „was maßt die sich an?“ „woher will er das denn wissen?“ „das haben wir aber noch nie so gemacht!“
Jesus ist anders. Anders als die Schriftgelehrten. Die Schriftgelehrten haben versucht, die Schrift zu verstehen. Jesus ist selbst das Wort. Und mit scheinbarer Leichtigkeit überwindet er jede Anfeindung mit entspannter Souveränität.
Im normalen Alltag haben wir es selten mit Wundertaten der Vorgesetzten zu tun. Unsere Zweifel sind normal. Und unser Alltagstrott ist gewiss einer der Gründe dafür, dass wir uns in dem, was wir zu kennen glauben, eingerichtet haben. Ein neuer Himmel, eine neue Erde? Singt dem Herrn ein neues Lied? Danke, aber nein, danke.
In diesen Alltag hinein sagt Jesus den bekannten Stimmen in uns: Schweigt und geht. Ein Neuanfang, der nicht spurlos bleibt. Vom Vertrauten abzulassen und neue Wege zu gehen, zerreißt uns. Einfache Nachfolge ist möglich, aber eben nicht einfach.
Viele von uns haben in den vergangenen Monaten ihr vertrautes Gotteshaus kaum von innen gesehen, haben die vertrauten Stimmen gar nicht hören können. Aus besten Gründen. Wenige haben sich online zusammengefunden und wenigstens auf dem Bildschirm bekannte Gesichter gesehen, die ihr Lächeln unmaskiert zeigen konnten. Manch einer fand das ganz bequem und es wurde zu einer neuen Gewohnheit, sich eben nicht mehr in die Kirche zu begeben.
Vielleicht kommt dieses Evangelium mit dem Befehl „schweig und verlass ihn!“ heute zum ganz richtigen Zeitpunkt. Für diejenigen, in deren Realität Gott nur noch eine unmaßgebliche Rolle spielt. Für diejenigen, die nur noch aus Gewohnheit in ihren Tempel gehen und gar nicht mehr erwarten, dort von Neuem überrascht zu werden. Und sogar für diejenigen, die in diesen Kirchen ihren bemerkenswerten Dienst tun. Denn sie sehen: Es ist jederzeit möglich, die Menschen zu erreichen. Es ist jederzeit möglich, das Wort mit Leben zu füllen. Und es ist stets besser, aus dem Herzen zu sprechen und nicht aus Gewohnheit.
Dieses „schweig und verlass ihn!“ muss ich mir selbst sagen und sagen lassen. Damit ich mal wieder durchgerüttelt werde und die selbstgebauten Barrieren von meinen Augen fallen. Dann kann ich wieder spüren, dass da keine uralte Geschichte vorgelesen wird, sondern dass das Wort selbst versucht, mit mir zu sprechen.
Ihnen und mir wünsche ich einen gesegneten Sonntag und ein hörendes Herz.
Tim Wollenhaupt