2. Sonntag im Jahreskreis, 17.01.2021
Zum Evangelium nach Johannes 1, 35 – 42
Wir können uns heute viel vorstellen, um bei einem Treffen mit einem Unbekannten etwas über ihn zu erfahren. Polizisten können auf die Daten von Einwohnermeldeämtern und Vorstrafenregister zurückgreifen, die Älteren sehen mal im Telefonbuch nach und ansonsten wird gegoogelt. Meist ist es erstaunlich, was man mit wenigen Klicks über eine fremde Person erfahren kann. Man kann sie dann nicht kennen, aber doch hat man das Gefühl, sie etwas näher einschätzen zu können.
Jesus hat sicher nicht zu Simon Petrus gegoogelt. Und doch treffen sie zum ersten Mal aufeinander und Jesus sagt dem Fischer auf den Kopf zu: Ich kenne Dich. Ich kenne Dein Potenzial. Und ich sage Dir, was Du werden wirst: Das Fundament meiner Kirche.
Wir kennen aus den Erzählungen der Bibel ein wenig vom Wesen dieses Jüngers. Und schon einige Male habe ich darüber nachgedacht, warum ausgerechnet dieser Jünger als Fels bezeichnet wird – nicht von den Jüngern, sondern von Jesus. Er erkennt Simons Wesen und wird damit auch erkennen, wie wankelmütig, aufbrausend, kurzsichtig und in gewisser Weise ungebildet dieser Mensch ist. Hätte er sich nicht einen weisen, neugierigen, intelligenten, ruhigeren Menschen als Fundament erwählen können?
Nun, ganz sicher ist Jesus völlig unverdächtig, stets den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Und im Vergleich zu seinem Kreuzestod ist die Herausforderung, aus dem Fischer einen gläubigen Verkünder zu machen, eher eine Lappalie. Aber dennoch: Warum ausgerechnet dieser Simon?
Vielleicht, weil es für uns viel leichter ist, sich mit ihm zu identifizieren. Der christliche Glaube an Gott ist keine Veranstaltung, für die man ein Übermaß an Bildung braucht. Zugelassen sind nicht nur auch diejenigen ohne Abitur und Studium, gerade sie definiert Jesus in seiner Bergpredigt als Idealbild.
Vielleicht steht diesem Simon nichts im Weg, was er erst mühsam überwinden muss. Er ist sofort offen für Neues. Er ist vielleicht wie ein weitgehend unbeschriebenes Blatt, auf dem jede neue Formulierung sofort auffällt. Einer, der lernen muss – aber es auch noch kann.
Und letztlich ist Simon auch einer, der den Weg zu Jesus durch einen Vertrauten findet. Einer, der ihn mit Jesus bekannt macht. Bei alledem sehe ich dann Parallelen zu mir selbst. Mir ist kein Heiland im Traum erschienen und kein Engel hat auf meiner Wiese gestrahlt. Menschen, denen ich vertraue, helfen mir dabei, mich in meinem Tempo auf diesen Jesus einzulassen.
Die Reaktion Simons auf Jesu Anrede ist nicht überliefert, was nicht weiter verwundern kann, ist doch die Darstellung im Evangelium gewiss nicht als chronologische Berichterstattung zu verstehen. War es Überraschung? War es beruhigend? War es verängstigend? Wenn ich sehe, was ich heute mache und ich stellte mir vor, dass man mir das vor geschätzt 35 Jahren gesagt hätte – wahrscheinlich hätte ich meinem Gegenüber geraten, auf den Gebrauch bewusstseinserweiternder Drogen tunlichst zu verzichten.
Simon folgt Jesus. Simon wird zum Petrus. Er bleibt dabei in seinem Wesen der ungestüme, suchende, fehlerhafte Mensch. Und so begreife ich diese Zusage Jesu auch als Anrede an jeden von uns: Ich kenne Dich. Ich weiß, wie Du bist. Und genau so bist Du richtig. So will ich Dich haben und so sollst Du bleiben. Und dann lerne, wie Du mit dem, was Du hast und dem, wie Du bist, zu mir finden kannst.
„Du bist Simon“ ist eine Einladung, den kennen zu lernen, der mich schon kennt.
Ihnen wünsche ich, dass Sie immer wieder neu erfahren, dass Sie so, wie Sie sind, wertvoll, geliebt und berufen sind.
Einen schönen Sonntag
Tim Wollenhaupt