Zum Evangelium Mk 6,1-6 (14. Sonntag im Jahreskreis, 8. Juli 2018)
Hat man sich einmal seine Meinung über einen anderen gebildet, bleibt man gerne dabei: ‚Den kenne ich doch! Der hat doch damals …‘
Nach diesem Muster scheinen die Menschen auch mit Jesus zu verfahren, als er in seiner Heimatstadt Nazaret predigt. Zunächst sind sie erstaunt, dann aber reiben sie sich ungläubig die Augen: „Woher hat er das alles? … Und was sind das für Wunder, die durch ihn geschehen sein sollen? Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn von … Einer von uns, den wir doch alle kennen!?“ (vgl. 6,2-3)
„Und sie nahmen Anstoß an ihm und lehnten ihn ab.“(6,3c)
Ja, Jesus ist ein Mensch wie wir, einer von uns. Also einer, den wir zu kennen meinen?
Der Sohn von … Und seine Familie kennen wir doch!
Ich stelle mir vor, so einer aus unserer Gemeinde steht plötzlich auf wie einer, der etwas zu sagen hat. „Wenn wir als Kirche in Wattenscheid überleben wollen, müssen wir uns neu erfinden. Neues wagen und Altes zurücklassen. Dieses Kirchengebäude hier z.B. ist ziemlich marode, auf Dauer nicht zu halten, wie Experten sagen. Reißen wir es ab und bauen wir eine neue Kirche!“ (So eine der Zukunftsideen aus dem Pfarreientwicklungsprozess!)
Wie würden wir Höntroper damit umgehen? Oder die Eppendorfer? Oder die aus der Propstei, aus Leithe oder Günnigfeld?
„Das ist ja total verrückt!“ „Was das kostet!“ „Wie kommt bloß jemand auf solch eine Idee?“ „Und die anderen gehen leer aus!?“ „Der will sich wohl einen Namen machen!“ „Oder will der nur seinen Architektenfreunden etwas Gutes tun?“ U.v.a.m. …
Vielleicht wäre also alles ganz ähnlich wie damals; Nazaret ist überall.
„Und sie nahmen Anstoß an ihm und lehnten ihn ab…
Und er konnte dort kein Wunder tun…
Und er wunderte sich über ihren Unglauben.“(6,3.5.6)
Meine Vorurteile verbauen die Chance, den Anderen noch mal neu und anders zu sehen. Im Anderen mehr zu sehen, als nur: ‚Der ist doch auch nur …‘ – Jesus nennt diese Haltung „Unglauben“. Stattdessen gilt es, offen zu werden für das Mehr, das auch im Anderen ist – das Göttliche! Daran zu glauben und darauf zu bauen, dass der Andere auch Abbild Gottes ist und Träger seines Geistes!
So lädt mich dieses Evangelium ein: Trau dich, deiner eigentlichen Sehnsucht zu folgen, der Sehnsucht nach dem „Mehr“ in deinem Leben! Und bleibe nicht in deiner Bequemlichkeit, im begrenzten Horizont deiner Vorurteile!
Burkhard Schönwälder