Zum Evangelium Joh 20,19-31 (2. Ostersonntag: 8. April 2018)
„Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte …“ (Joh 20,19)
Ich denke an eine junge syrische Frau, die ihren Herzenswunsch, getauft zu werden, in ihrer Heimat all die Jahre in ihrem Herzen vergraben musste, weil ihr Leben sonst gefährdet war. Erst am Ende einer langen Flucht durfte sie sich hier in Deutschland als Taufbewerberin outen und in unserer Gemeinde getauft werden.
„Religion ist Privatsache.“ So ist oft zu hören und meint: Religion habe in der Öffentlichkeit nichts zu suchen, sie gehöre in geschlossene Räume. In Zeiten der Selbstoptimierung erscheint etwa der Karfreitag als stiller Tag des Gedenkens an den Kreuzestod Jesu unverständlich und überflüssig.
Andere christliche Feiertage werden säkular umgedeutet: St. Martin wird so zum „Laternenfest“, Weihnachten zum „Geschenkefest“ und Ostern zur „Eierfeier“.
Und wir Christen? Nur wenige treten dem entgegen, die meisten halten sich bedeckt; sie sind abgetaucht und haben sich hinter die verschlossenen Türen des Privaten zurückgezogen. Ähnlich wie die Jüngerinnen und Jünger Jesu nach seinem Tod am Kreuz. Vielleicht suchen sie noch die Gemeinschaft der Gleichgesinnten, sind aber ängstlich und mutlos, voller Zweifel und Fragen, verwirrt oder gar verzweifelt … Nicht wenige haben sich enttäuscht von Kirche und Glauben abgewandt. Trotz 2000 Jahre Christentum ist die Welt weiterhin voller Krankheit und Tod, voller Hass und Krieg, und immer wieder scheint das Böse über das Gute zu siegen. Manche schämen sich, ihr Christsein im Alltag zu zeigen.
Der Evangelist Johannes erzählt uns, wie der Auferstandene mit der Situation seiner Jüngerinnen und Jünger umgeht – damals wie heute: Am Abend des Ostertages sitzen sie beieinander, ängstlich und mutlos. Da kommt der Auferstandene durch verschlossene Türen. Sie sehen und erkennen ihn – und sind voller Freude. Er haucht ihnen – wie am Tag der Schöpfung – Gottes Leben spendenden Atem ein, den Heiligen Geist. Und er schickt sie, als seine Stellvertreter, dorthin, wo Menschen sind, damit sie kraft des Heiligen Geistes Vergebung schenken und Versöhnung stiften. Beim Evangelisten Johannes klingt das so:
„Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist. Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben …“ (Joh 20,21-23)
In meinen Ohren klingt das heute etwa so: „Tief einatmen und tief durchatmen! Ihr seid jetzt auf Sendung! Seit Ostern ist Gottes Geist in euch lebendig. So könnt ihr Gottes Barmherzigkeit und Frieden erfahrbar machen, indem ihr dort, wo ihr lebt, Vergebung schenkt und Versöhnung stiftet.“
Und wenn mich wieder Fragen und Zweifel quälen – wie den „ungläubigen“ Thomas? Wenn ich mal wieder ängstlich und mutlos bin, wenn Enttäuschung oder Verzweiflung über mich kommen? –
Dann brauche und suche ich die Gemeinschaft der anderen immer wieder neu „am ersten Tag der Woche“, weil ich zuversichtlich weiß: Verschlossene Türen hindern Jesus nicht, nur verschlossene Herzen können ihn aufhalten. In der Versammlung am Sonntag ist der Auferstandene da und schenkt jeder und jedem von uns den österlichen Frieden, den ich erneut tief einatmen darf: seine Gabe für alle, die nicht sehen und doch glauben möchten.
Und am Ende erinnert mich das Abschiedswort des Priesters: Gehet hin in Frieden! Früher hieß das auf Latein: Ite, missa est. „Geht, ihr seid jetzt auf Friedens-Sendung!“ Jetzt ist es an uns, dass wir einander vergeben; dass Frieden und Versöhnung zu den Menschen kommt, mit denen wir im Alltag leben.
Burkhard Schönwälder