Zum Evangelium Joh 12, 12 -18 am Palmsonntag – 25.März 2018
Jesus zieht in Jerusalem ein. Die Leute rufen ihm begeistert zu, winken mit Palmzweigen – das ist die Szene, die dem Palmsonntag seinen Namen gibt. Seltsam, dass mit dieser fröhlichen Szene die Karwoche mit all dem Schweren ihren Anfang nimmt.
Ich lese die Geschichte vom Einzug in Jerusalem, wie sie bei Johannes aufgeschrieben ist:
Als am nächsten Tag die große Menge, die auf das Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach
Jerusalem käme, nahmen sie Palmzweige, gingen ihm entgegen und riefen:
„ Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel!“
Jesus aber fand einen jungen Esel und ritt darauf, wie geschrieben steht:
„ Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe der König kommt und reitet auf einem Esel“.
Das verstanden seine Jünger zuerst nicht. Doch als Jesus verherrlicht war, da dachten sie daran, dass dies von ihm geschrieben stand.
Das Volk aber, das bei ihm war, als er Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, rühmte die Tat. Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dies Zeichen getan.
Die Pharisäer aber sprachen untereinander: „ Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet. Siehe, alle Welt läuft ihm nach!“
Es ist eine bunte Geschichte – und eine ziemlich verwunderliche, diese Szene vom Einzug Jesu nach Jerusalem. Das Volk jubelt ihm zu – doch so recht steht ihm die Rolle des Volkshelden nicht. Irritierende Missklänge mischen sich in die Jubelszene.
Ein besonders schräges Motiv in dieser Einzugsszene ist das Reittier. Ausgerechnet ein Esel!!
Jesus wird umjubelt als „ König von Israel“. Aber ein König reitet auf einem Pferd, dem schnellen Reittier der Krieger! Nicht auf einem störrischen Esel. Ein König auf einem Esel – das ist gerade so, als würde die Königin von England die jährliche Geburtstagsparade auf einem Fahrrad abnehmen…
Und doch ist gerade der Esel in der Bibel das Zeichen des Friedenskönigs. Das schrieb schon der Prophet Jesaja: „Fürchte dich nicht, freue dich, Tochter Zion. Siehe, dein König kommt zu dir und reitet auf einem Esel.“
Der König Gottes kommt nicht wie Alexander der Große auf einem Kriegsross, er kommt auf dem Esel und bringt den Frieden. Er kommt auf dem Reittier der einfachen Leute. Nicht hoch zu Ross.
Heute wär`s vielleicht ein Fahrrad, im gemächlichen Tempo und auf Augenhöhe mit denen, die ihn erwartungsvoll empfangen.
Aber was sind das für Leute, die da auf den Straßen von Jerusalem stehen? Heute noch feiern sie Jesus als Befreier. Doch in wenigen Tagen werden sie schreien:“ Kreuzige ihn!“
Die Stimmung der Leute am Straßenrand konnte nur deshalb so schnell kippen, weil es keine innere Beteiligung, kein echtes Interesse war, das sie jubeln ließ, sondern Sensationsgier. Nur nichts verpassen. Dabei sein ist alles. Und so schnell, wie man eben noch begeistert ist, hat man`s , falls die Stimmung kippt, immer schon gewusst und kommentiert das Geschehen am Stammtisch oder sonst wo.
Sich nur nicht so weit reinziehen lassen. Immer schön am Rand bleiben. Aber ja nichts verpassen. Das ist die Grundausstattung des gnadenlosen Mobs. Eine Grundausstattung, die wir alle in uns tragen.
Jesus, der König auf dem Esel, zeigt einen anderen Weg. Er ist da, ganz nah. Immer wieder.
Lässt sich Leid, Krankheit, Zerstörtes und Zerstörerisches nahe gehen, hält es nicht auf Distanz.
Er schwingt sich nicht als Richter auf, wie das Beispiel der Frau zeigt, die bei einem Ehebruch ertappten wurde.
Er ermöglicht ihr den Weg zurück in die Gesellschaft, indem er ihr zeigt: Ich finde nicht gut was du
getan hast. Aber ich respektiere dich als Mensch! Und zu den Zeugen der Szene sagt er den berühmten Satz: „Wer von Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“
Wo man andere und ihr Schicksal an sich ran lässt, da geht das nicht mehr gut mit dem Verurteilen, mit dem Steinewerfen.
Die Reihe solcher Geschichten ist lang. Geschichten, die zeigen: Er wendet sich denjenigen zu, von denen sich die mehr oder weniger anständigen Bürger schön fern halten. Mit denen sie nichts zu tun haben wollen. Denen, die mit ihrem Unglück oder mit ihrem unanständigen Verhalten das kleine bürgerliche Glück in Frage stellen. Denen, von denen man sich lieber nicht anstecken lässt.
Aber es ist gut zu wissen, dass es Menschen gibt, die Brücken bauen. Die uns helfen, im Flüchtling aus dem Irak, aus Syrien etc. nicht nur das anonyme Elend zu sehen, das uns unangenehm nahe rückt – sondern in ihm den Menschen sehen. Wie gut, dass es ein kirchliches und bürgerschaftliches Netzwerk gibt von Freundeskreisen für Flüchtlinge.
Sie helfen uns, auf sie zuzugehen, ihnen die Hand zu reichen, ihnen zuzuhören und dann handeln.
Er ist auf dem Weg, der Eselreiter. Auf dem Weg in die Asylunterkunft, auf dem Weg ins Pflegeheim und ins Hospiz, wo die Ehrenamtlichen die letzten Stunden des Sterbenden und die Nähe des Todes mit aushalten. Er ist auf dem Weg zu uns und lädt uns ein, mitzukommen auf dem Weg des Friedens.
Er lädt uns ein, und weiß, wie oft wir den Weg verfehlen. Wir scheitern regelmäßig beim Versuch, gut zu sein. Gerade deshalb gilt uns seine Liebe. Weil wir sie brauchen. Gerade deshalb lädt er uns immer wieder ein, uns mit ihm auf den Weg zu machen.
Ich wünsche Ihnen und Euch eine gesegnete Karwoche und ein frohes Osterfest!
ULLA PROYER