Zum Evangelium Mt 13,24 – 30 / 24 – 43 am 16. Sonntag i.J.: 23. 07. 2017
Jesus ist Realist. Er weiß: Die Botschaft vom Gottesreich stößt auf Widerstand. Der Same des Wortes fällt nicht nur mal auf den Weg oder unter die Dornen, wie wir am vergangenen Sonntag hörten. Die Aussaat des guten Samens wird auch bekämpft und bedroht. Es gibt eine Feindschaft gegen die Sache Gottes, die das Neue, das Gott wachsen lässt, mit allen Mitteln verhindern will.
„Während die Menschen schliefen, kam sein Feind und säte Tollkraut mitten ins Korn …“
(Mt 13,25)
Das giftige Tollkraut („Taumellolch“) ist dem Weizen ähnlich und erst beim Reifen der Ähren sicher zu unterscheiden. In den Fragen der Knechte finden wir uns schnell selber wieder:
„Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut? Er antwortete: Das hat ein Feind von mir getan. Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen?“ (Mt 13,27f)
Umso irritierender ist die Antwort des Gutsherrn: „Nein, sonst reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus. Lasst beides wachsen bis zur Ernte.“
Die Versuchung, das Böse mit Stumpf und Stil – gewaltsam – auszureißen, ist wohl von alters her tief in uns Menschen verwurzelt – aus Sorge um uns selbst und um der Guten willen. Und weil wir uns einbilden und berechtigt fühlen, die Bösen genau zu kennen und von den Guten unterscheiden zu können. Wo das hinführt, können wir z. B. derzeit in der Türkei beobachten. Aber auch die Kirche ist vor Säuberungsaktionen nicht gefeit, wie etwa die Geschichte der Inquisition gezeigt hat. Und insgeheim ahne ich auch, dass die Feindschaft gegen Gottes Reich und die Versuchung zum gewaltsamen Ausreißen des Bösen in jedem von uns lauert… Und so empfinde ich es als Herausforderung, dass mich Jesu Gleichnis zu einer irritierenden Gelassenheit aufruft: „Lasst beides wachsen bis zur Ernte!“
Das erfordert Mut und ein grenzenloses Vertrauen auf Jesu Verheißung der Gottesherrschaft:
- Das endgültige Urteil über Gut und Böse steht nur Gott zu. Wir müssen zwar mit der Feindschaft gegen die Botschaft vom Gottesreich rechnen. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, das Böse gewaltsam auszureißen.
- Gott will seine Herrschaft nicht mit Zwang und Gewalt durchsetzen. Sein Reich ist ein Reich der Freiheit. Wenn Gott das Böse in der Welt und in der Kirche ausrotten würde, gäbe es keine Umkehr und keine Freiheit.
- Unsere Sache ist es, fest auf die Kraft des guten Samens zu vertrauen. Dies zeigen mir die Gleichnisse vom Senfkorn und vom Sauerteig, die dem Gleichnis vom Unkraut im Weizen folgen: Der kleine unscheinbare Anfang – das winzige Senfkorn – wächst unaufhaltsam! Und die kleine Menge Sauerteig durchsäuert und verändert das Ganze.
Das heißt: Auch wenn mir die christliche Botschaft oft machtlos erscheint in einer gottlosen Umwelt – ich darf auf Jesu Verheißung vertrauen: Die Gottesherrschaft wird sich durchsetzen. Taufe und Firmung sind der Same, der unaufhaltsam wächst. Das gilt es, immer wieder neu zu entdecken und wert zu schätzen. Denn wir leben in einer Kirche, die mit Gottes Reich wachsen möchte und dabei auf Jesu Verheißung in den Gleichnissen vom Reich Gottes vertraut (vgl. das gerade einstimmig verabschiedete Pastoralkonzept unserer Pfarrei St. Gertrud).
Jesu Verheißung hat die Kraft, mein Christsein, unsere Kirche und unsere Lebenswelt zu verändern. Das empfinde ich als Ermutigung und den Glauben daran als immer neue Herausforderung.
Burkhard Schönwälder