- Sonntag im Jahreskreis, 19.2.2017 – Zum Evangelium Mt 5, 38-48
Auge um Auge, Zahn um Zahn – Als diese Regelung ursprünglich als geltendes Recht angenommen und praktiziert wurde, war dies ein großer Fortschritt für das Zusammenleben der Menschen, sorgte es doch für eine „maßvolle“ Reaktion und verhinderte so ein immer weiteres Aufschaukeln der Gewaltspirale.
Im Evangelientext des letzten Sonntags sagt Jesus ganz klar: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen.“ (Mt 5, 17)
Und wie er das Gesetz erfüllt sieht, das passt so gar nicht in die heutige Zeit. Wer nachgiebig ist, wird bestenfalls belächelt, im Zweifel kann er/sie eher mit einem „Shitstorm“ in diversen Foren und Kommentarspalten rechnen. „Macher“ sind gefragt, Leute, die „endlich durchgreifen“!
Ganz verdenken kann man das den Menschen auch gar nicht, spricht doch die alltägliche Erfahrung und das, was man so in den Medien vermittelt bekommt, dafür, dass der Ehrliche oft der Dumme ist und dass Straftäter ihre Opfer und die vermeintlich wehrlose Gesellschaft noch auslachen, während sie ungerührt fortfahren, auf verschiedenste Art und Weise immer enthemmter Gewalt auszuüben.
Jesus ging es mit seinen Aufforderungen wohl kaum darum, seine Anhänger in der Gesellschaft als einfältige Idioten dastehen zu lassen. Etwas weiter im Text bringt er seine Zielsetzung auf den Punkt: „Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist.“ (Mt 5, 48)
Hilfe! Was für ein Anspruch!! Jesus muss doch wissen, dass er uns damit überfordert! Aber wenn man das Streben nach Idealen immer nur unter der Prämisse des vorhersehbaren Scheiterns betrachtet, dann gelingt überhaupt nichts. Das raubt nur jeglichen Elan.
Jesus provoziert deshalb, so denke ich, ganz bewusst. Er treibt die Auslegung des Gesetzes, das ja dem friedlichen und gerechten Zusammenleben der Menschen dient, auf die Spitze.
Sein Anspruch an uns impliziert, dass er uns viel mehr zutraut, als wir uns selbst, viel mehr Mut, viel mehr Geduld, Einfallsreichtum, Einfühlungsvermögen, Liebe … weil wir Gottes Kinder sind. Ich stelle bei mir selbst immer wieder fest, dass es diese Momente gibt, die mich wie ein Blitz durchzucken, in denen ich erahne, was das bedeutet. Diese – zugegeben leider oft kurzen – Momente durchströmen mich dann wie ein helles Licht, wie ein positiver Energieimpuls, der mich in vertrackten Situationen oft neu denken lässt, der mich Schweres leichter nehmen lässt, der mich tröstet und mich zuversichtlich und froh sein lässt.
Und dann merke ich, dass ich auf meine Weise und in meinem kleinen Umfeld von dieser positiven Energie weitergeben kann. „Weltbewegend“ ist das dann vielleicht nicht, aber es zieht auf stille Weise Kreise und breitet sich aus, weil es ansteckend ist. Und mit diesem Empfinden stehe ich bestimmt nicht allein! Da ist so viel Kraft, Liebe und Freude in uns allen geschenkt von Gottes Geist! Natürlich „überlagert“ unser Alltag oft dieses Empfinden. Aber es bricht sich doch immer wieder Bahn! Also warum von vornherein aufgeben und verzagen? Lassen wir uns anstecken von der provokanten Zuversicht Jesu, dass wir Menschen heil werden können und dass das Reich Gottes kein Hirngespinst ist! Und lassen wir einander teilhaben an solchen Momenten geschenkter Einsicht.
Maria Schmale
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.