Zum Evangelium Markus 10, 2-16 am Sonntag, dem 4.10.2015
Vermutlich ist es kein Zufall, sondern vom Datum her bewusst gewählt: Genau am heutigen Sonntag, an dem der Evangelientext die Ehescheidung zum zentralen Thema hat, beginnt die XIV. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode, die sich versammelt unter dem Thema: „Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute“.Auf die Diskussionen und Ergebnisse darf man mit Spannung warten.Denn eines der Themen auf der Agenda, der Umgang der Kirche mit Geschiedenen und geschieden Wiederverheirateten ist sehr umstritten. Ganz grob umrissen stehen sich zwei unterschiedliche Ansätze gegenüber:
Die einen sagen: Scheidung ist nach Gottes Gebot eine schwere Sünde und wer nach einer Scheidung erneut heiratet begeht Ehebruch, was diese Sünde noch dauerhaft manifestiert. Damit sind die betroffenen Menschen zwar nicht von der Kirche ausgeschlossen, wohl aber vom Sakrament der Eucharistie, weil man dieses sonst zu einer Farce mache.
Die anderen empfinden diese Haltung der Kirche als eine Unbarmherzigkeit, die nicht im Sinne Jesu sein könne, weil der Aussschluss von der Kommunion eine massive Ausgrenzung darstelle.
Ohne den vielen Akteuren in der seit Jahren andauernden Diskussion über diese Problematik zu nahe treten oder ihr ernsthaftes Ringen in Frage stellen zu wollen, findet man hier sowohl sehr theoretische Wortklaubereien als auch zu sehr vereinfachte Pauschalisierungen.
Vielleicht ist es für ein eigenes Nachdenken über diese Frage hilfreich, Jesu Worte in den historisch-gesellschaftlichen Kontext einzuordnen.
Die Pharisäer verweisen Jesus auf das mosaische Gesetz, das Männern erlaubte, eine Scheidungsurkunde auszustellen und damit die Frau aus der Ehe zu entlassen. In unseren Ohren ist das eine sehr einseitige Sache und so war es auch: Es war ein verbrieftes und vielfach praktiziertes Recht des Mannes, so zu handeln. Aber so sehr sie damit auch im Vorteil gegenüber den Frauen waren, hatte diese Regelung doch eine gewisse Schutzfunktion für die Frauen. Es bewahrte sie zumindest vor Verstoß aus einer spontanen emotionalen Überreaktion des Mannes heraus.
Jesu harte Kritik an diesen gesellschaftlichen Verhältnissen kummuliert in seiner Aussage: „Nur weil ihr so hartherzig seid, hat er (Gott) euch dieses Gebot (Ausstellung einer Scheidungsurkunde) gegeben.“ (V5)
Jesus macht seine Kritik an den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen zudem deutlich, indem er Mann und Frau auf gleiche Ebene stellt : Wenn ein Mann seine Frau entlässt, sagt er, begeht er Ehebruch, umgekehrt aber genauso, wenn eine Frau ihren Mann entlässt ( vgl. V. 11f). Eine Frau, die ihren Mann aus der Ehe entlässt?! – Das ist – sogar noch bis weit in das 20. Jahrhundert hinein! – eine völlig undenkbare Vorstellung gewesen, galt die Frau doch als nicht rechtsfähige Person. Ganz hart auf den Punkt gebracht war sie rechtlich der Besitz des Mannes! Mit seiner Aussage stellt Jesus sie aber rechtlich auf gleiche Stufe.
Jesus stellt der Provokation der Pharisäer („Damit wollten sie ihm eine Falle stellen“ (V. 2b)) das Idealbild des Zusammenlebens von Mann und Frau gegenüber, wie Gott es in seiner Schöpfung vorgesehen hat: „Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und die zwei werden ein Fleisch“. Hier zitiert er Genesis 2. Faktisch verlief dies zur Zeit Jesu (und ja selbst noch Jahrhunderte danach) ganz anders. Es war die Frau, die ihre Familie verließ und in der Familie des Mannes in der Rangfolge den anderen Familienmitgliedern im Hause untergeordnet war (nicht nur den Männern der Familie, auch der Schwiegermutter und eventuell noch in der Familie lebenden Schwestern des Mannes). Von „ein Fleisch“ im Sinne einer Gleichberechtigung der Ehepartner konnte keine Rede sein. Mit seiner Antwort auf die Frage der Pharisäer und der Jünger, stellt Jesus die bestehenden Verhältnisse klar in Frage. Eine Ehe hingegen, die im Sinne des göttlichen Schöpfungswillens eine aus gegenseitiger Liebe hervorgehende und von gegenseitiger Liebe getragene Einheit ist ( „und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins.“ (V. 8)), die ist unauflösbar. (vgl. V. 11f)
„Nur weil ihr so hartherzig seid …“ Dieser Nebensatz klingt in mir nach, seit ich mich diesem Evangelientext intensiv zugewandt habe. Wer sich ernsthaft auf das Sakrament der Ehe eingelassen hat, wünscht sich tatsächlich eine Lebens- und Liebespartnerschaft bis zum Tod und glauben an Gottes Segen und Schutz. Und trotzdem scheitern Ehen an den Realitäten des Alltags und die Betroffenen – Partner wie Kinder – leiden.
Papst Franziskus sagte am 5.8.2015:
„Wie können wir diese Eltern ermutigen, ihre Kinder christlich zu erziehen und ihnen ein Vorbild des christlichen Glaubens zu sein, wenn wir sie ausgrenzen?
Wenn wir die neuen Beziehungen der wiederverheirateten Katholiken durch die Augen kleiner Kinder betrachten – und Kinder schauen hin – wird uns wieder einmal die Dringlichkeit bewusst, mit der wir in unseren Gemeinden eine echte Willkommenskultur für Menschen in diesen Situationen schaffen müssen.“ (Quelle: christianheadlines.com)
Mit diesen Aussagen ist zugleich eine Verbindung zum Abschlussteil des Evangeliums geschlagen: Die Kinder im Auge haben und zugleich die Welt auch mit den Augen eines Kindes betrachten, hilft vielleicht, manchen Dingen das Komplizierte zu nehmen und sich dadurch mit neuem, freien Blickwinkel daran zu machen, Probleme zu lösen ;-).
In vielen Gemeinden wird die von Papst Franziskus angemahnte Willkommenskultur in der Praxis Gott sei Dank schon lange gelebt. – Der Synode wünsche ich segensreiches Arbeiten.
In diesem Sinne eine gute Woche wünscht
Maria Schmale
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.