Zum Evangelium Mt 21, 33-44 am Sonntag, dem 5.10.2014
Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden; das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder?
Wenn man das Wort „Stein“ hört, dann kann das ganz verschiedene Assoziationen wecken: Ein Stein ist hart, kalt, an einem Stein kann man sich sehr wehtun, wenn man sich an ihm stößt, oder man kann andere schwer verletzen –denken wir nur an die grausame Strafe der Steinigung, die wir aus der Bibel kennen.
Oft sind Grenzen, die Menschen zwischen sich ziehen, durch Steine markiert. Ich denke an die Berliner Mauer die vor fünfundzwanzig Jahren bröckelte und dann am 09. November 1989 Geschichte wurde. Sie war so etwas wie die zementierte, in Stein gegossene Grenze, die Menschen untereinander aufgerichtet haben. Einige erinnern sich sicher an die Fernsehbilder oder haben sogar live miterlebt, wie am 9. November 1989 diese Mauer, dieser steinerne Vorhang fiel. Ich selbst kann diese Bilder nicht vergessen. Doch wir konnten damals wahrscheinlich selbst kaum glauben, was wir gesehen haben, als die Leute voller Euphorie, wie Besessene auf die Mauer stiegen und mit den Werkzeugen, die sie gerade hatten, dieses Ungetüm gestürzt haben. Ein Berliner hat mir erzählt, dass es eine mörderische Anstrengung war, auch nur ein kleines Stück herauszuschlagen, um es als Erinnerung mitzunehmen.
Die Mauer von Berlin ist bis heute ein Sinnbild, wie schwer es fällt, wie viel Mühe es braucht, Grenzen, die einmal gezogen sind, abzubauen, zu versöhnen, wo Spaltung ist.
Von einem ganz anderen Stein ist in der heutigen Evangelium die Rede: vom „Eckstein“.
Es ist ein Bild, das wir schon im Alten Testament finden und das man dann sehr schnell auf Jesus Christus übertragen hat. „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden.“ Es meint zunächst einen Stein, den man auf der Baustelle nicht gebrauchen kann, der zum Ausschuss gehört. Doch gerade dieser Stein wird ausgewählt, er ist ein ganz besonders wertvoller Stein, den man für den Bau braucht: der Eckstein. Er könnte ein Bild für die Auferstehung Jesu sein: Er, der getötet wurde, den man weggeworfen hat, Er wurde von Gott auserwählt zu etwas ganz Großem, auferweckt aus dem Tod. So wird er für viele zu einem Stein des Anstoßes: „Das kann doch einfach nicht sein, dass Gott so an ihm handelt.“ –Doch, es ist so und gerade das ist das Große unseres Glaubens. Gott lässt aus dem weggeworfenen Stein einen Eckstein werden, den Gekreuzigten hüllt er in Herrlichkeit.
Jesus Christus, der Eckstein, dieser Stein eignet sich nicht zum Mauern bauen, dieser Stein schafft Versöhnung, schafft Verbindung; zwischen Menschen
Josef Winkler
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.