Zum Evangelium Joh 10, 1-10 am Sonntag, dem 11.5.2014
Zwei Gedanken gehen mir beim Lesen des heutigen Sonntagsevangeliums spontan durch den Kopf, der erste etwas allgemeiner, der zweite sehr persönlich:
Gedankengang 1:
Europa- und Kommunalwahlen werfen ihre Schatten voraus. Die Straßen sind wieder einmal voller Wahlplakate. Kanditaten werben mit großen Portraits um unser Vertrauen. Slogans wollen die Ausrichtung und Ziele der jeweiligen Parteien möglichst eingängig vor aller Augen führen. Und alle beanspruchen natürlich für sich, dass ihr jeweiliger Weg der richtige ist. An uns ist es, zu erkennen und zu entscheiden, wem wir zutrauen, würdiger Volksvertreter in den jeweiligen Parlamenten zu sein oder wer – im übertragenen Sinne – „Dieb und Räuber“ ist , bewusst Zwiespalt säht und Böses (leider nicht nur) im Schilde führt.
Was würde passieren, wenn da plötzlich auf einem Plakat stände:
„Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden“
und/oder
„Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“
Würden wir achtlos daran vorbei sehen? Würden wir innehalten? Würden wir denken, ja, ja, schon wieder so einer, der das „Weltrettungspatent“ für sich gepachtet hat? Der inflationäre Wert von Versprechungen in unserer Lebenswirklichkeit birgt die Gefahr einer „emotionalen Hornhaut“. Lassen wir diese Worte an uns heran oder tun wir sie als Spinnerei ab? Sind wir nicht schon viel zu oft desillusioniert worden?
Gedankengang 2:
Mich persönlich verbindet der letzte Satz des Evangeliums „Ich bin gekommen damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ mit einem Menschen, den ich sehr geliebt habe und über den Tod hinaus liebe. Uns hat dieses Versprechen des LEBENs IN FÜLLE immer regelrecht elektrisiert! Es war für uns – gerade angesichts der wahrscheinlich sehr begrenzten Zeit, die wir hier noch miteinander verbringen würden – die Zusage Gottes zu einem gelungenen Leben im Hier und Jetzt unabhängig von allen Widrigkeiten und zugleich „grenzüberschreitend“ die Vergewisserung eines Lebens in seiner zukünftigen Welt, wie immer diese im Einzelnen aussehen möge.
Überall haben wir es dann entdeckt, dieses LEBEN IN FÜLLE, in kleinen wie großen zwischenmenschlichen Begegnungen, in der Freude an der Natur, in der Musik, bei gemeinsam gefeierten Gottesdiensten, bei Zukunftsplanungen und dem Hoffen gegen jede menschliche Vernunft, im gegenseitigen Trost, bei intensiven Gesprächen darüber, dass da so viel mehr ist, als wir mit unseren Sinnen erfassen können und dass das Tor nicht geschlossen ist, wenn Menschen in die neue Dimension ihres Lebens übergehen, dass wir glauben, dass es wahr ist, was Gott uns verspricht …
Traurig bin ich nun trotzdem, denn sie fehlt so sehr. In Theorie lässt es sich leichter darüber reden als es in Praxis zu leben. Und doch ist es Ostern konkret. Menschen sind uns vorausgegangen. Sie könnten uns bestimmt eine Menge erzählen! Wir bleiben mit ihnen verbunden, denn tot sind nur ihre Körper, so wie wir sie kannten. Der uns das Leben in Fülle zugesagt hat, hat uns dieses zugesagt für immer und ewig. Und so reißt die Verbindung nicht ab. Sie ist anders, aber sie ist da – bis wir uns wiedersehen!
Maria Schmale
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männer aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.