7. Sonntag im Jahreskreis, 23.02.2025
Zum Evangelium nach Lukas 6, 27 – 38
27 Euch aber, die ihr zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen! 28 Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch beschimpfen! 29 Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin und dem, der dir den Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd! 30 Gib jedem, der dich bittet; und wenn dir jemand das Deine wegnimmt, verlang es nicht zurück! 31 Und wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut auch ihr ihnen! 32 Wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Dank erwartet ihr dafür? Denn auch die Sünder lieben die, von denen sie geliebt werden. 33 Und wenn ihr denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Dank erwartet ihr dafür? Das tun auch die Sünder. 34 Und wenn ihr denen Geld leiht, von denen ihr es zurückzubekommen hofft, welchen Dank erwartet ihr dafür? Auch die Sünder leihen Sündern, um das Gleiche zurückzubekommen. 35 Doch ihr sollt eure Feinde lieben und Gutes tun und leihen, wo ihr nichts zurückerhoffen könnt. Dann wird euer Lohn groß sein und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen. 36 Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist! 37 Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden! Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden! Erlasst einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden! 38 Gebt, dann wird auch euch gegeben werden! Ein gutes, volles, gehäuftes, überfließendes Maß wird man euch in den Schoß legen; denn nach dem Maß, mit dem ihr messt, wird auch euch zugemessen werden.
Alle Menschen können sich an Situationen erinnern, in denen sie selbst zutiefst verletzt wurden. Automatisch denkt man an Rache, an Bestrafung. Jesus verlangt die Liebe. Wie soll das gehen?
Liebe ist doch das, wo das Herz bestimmt, wo es lang geht. Die Liebe zu Partnerin oder Partner, die Liebe zu Kindern, die Liebe zu Menschen, die man kennenlernen durfte, schätzen lernte und von denen man mit Zuneigung beschenkt wird – das alles kennen wir und finden es schön, erstreben es und vertiefen es nach Möglichkeit ausgiebig.
Das tut Jesus als normal ab und fragt schon fast höhnisch: „Welchen Dank erwartet ihr dafür? Das tun auch die Sünder.“ Moment – ist Liebe jetzt Sünde? Nein, natürlich nicht. Jesus weist nur darauf hin, dass es nichts Besonderes ist, wenn man Freundlichkeit erntet, wo man sie säte. Wie aber kann ich jemanden, der mich verletzt hat, lieben? Wie soll ich nicht nur meinen Schmerz vergessen, sondern ihm auch noch besonders zugetan sein – im selben Maß wie denjenigen, die ich über die Maßen schätze? Spiele ich denn überhaupt keine Rolle? Sind Gott meine Gefühle egal? Müsste nicht ein gerechter Gott gerade die Sintflut über die ausgießen, dir mir feindlich begegneten?
Nun, einen Anspruch auf eine Sintflut habe ich gewiss nicht. Wie auch, wenn Jesus daran erinnert, dass Gott im Übermaß liebt und diese Liebe auf jedes seiner Geschöpfe einwirken lässt, ganz gleich, wie sich diese Geschöpfe untereinander verhalten. Und so kann Jesu Wort schon dazu dienen, etwas Druck aus dem Kessel zu nehmen. Vielleicht sind wir verletzt worden, obgleich die andere Seite gar nicht verletzen wollte. Vielleicht kennen wir nicht alle Gründe, vielleicht übertreiben wir ohne das Bibelwort unsere Gegenwehr und könnten dann vielleicht sogar schlimmeren Schaden anrichten als an uns angerichtet wurde. Vielleicht ist das, was Jesus sagt, eine funktionierende Deeskalationsstrategie.
Und vielleicht ist dieses Wort aus der Bibel gerade dann wichtig, wenn es um irdische Politik geht. Wenn politische Mitbewerber „Gegner“ heißen und zu „Feinden“ werden. Wenn Koalitionen geschmiedet werden, um diesen Gegner endlich in die Knie zu zwingen und das eigentlich politische Ringen ein Kampf wird, der körperlich spürbar ist.
Egal, ob es sich um das tägliche Miteinander handelt oder um Wahlentscheidungen auf Bundesebene: Jesus erinnert daran, dass alle Menschen Gottes geliebte Kinder sind. Und möglicherweise ist das Bibelwort unter dem Strich nichts anderes als das, was an unzähligen Sandkästen und Schulhöfen aufgegeben wird: „Vertragt euch. Jetzt.“
Jesu Auftrag ist ungeheuer schwer. Er hinterlässt ein Grummeln, mindestens. Er hinterlässt auch überhaupt nicht den Eindruck von Gerechtigkeit. Eben, weil er göttlich ist, dieser Auftrag. Weil er von einem liebenden Gott stammt, dessen Liebe sich die Menschen nicht erarbeiten oder verdienen können, sondern sie aus Gnade und für die Ewigkeit geschenkt bekommen.
Ihnen und mir wünsche ich einen liebevollen Sonntag.
Tim Wollenhaupt