25. Sonntag im Jahreskreis, 22.09.2024
Zum Evangelium nach Markus 9, 30 – 37
30 Sie gingen von dort weg und zogen durch Galiläa. Er wollte aber nicht, dass jemand davon erfuhr; 31 denn er belehrte seine Jünger und sagte zu ihnen: Der Menschensohn wird in die Hände von Menschen ausgeliefert und sie werden ihn töten; doch drei Tage nach seinem Tod wird er auferstehen. 32 Aber sie verstanden das Wort nicht, fürchteten sich jedoch, ihn zu fragen.
33 Sie kamen nach Kafarnaum. Als er dann im Haus war, fragte er sie: Worüber habt ihr auf dem Weg gesprochen? 34 Sie schwiegen, denn sie hatten auf dem Weg miteinander darüber gesprochen, wer der Größte sei. 35 Da setzte er sich, rief die Zwölf und sagte zu ihnen: Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein. 36 Und er stellte ein Kind in ihre Mitte, nahm es in seine Arme und sagte zu ihnen: 37 Wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.
Als erste Assoziation fällt mir eine Anekdote ein. Ein Bochumer Autor ist mit einer Dame verheiratet, die gebürtig aus dem Allgäu stammt. Hochdeutsch sprechen beide, doch zu Beginn ihrer gemeinsamen Zeit dachten sie zumindest im hiesigen Idiom und dortigen Dialekt. So begab es sich, dass sie ihn bat, etwas zu erledigen. Er sagte: „Mach ich gleich.“ Im Allgäu bedeutet dieses „gleich“ so viel wie „sogleich“. Als er sich, dem hiesigen Sprachgebrauch reichlich Zeit ließ, nahm sie wütend die Arbeit selbst vor und war aus ihrer Sicht berechtigt sauer. Er verstand die Welt nicht mehr, weil er zuvor ihren Dialekt nicht verstanden hatte.
So ist es auch mit Jesus und seinen Worten. Sprachlich gesehen ist alles sonnenklar. Jedes Wort steht klar lesbar in der Bibel. Doch welche Bedeutung die Worte über die Worte hinaus haben können, bleibt auch nach vielen hundert Jahren nebulös. Wir Christen heute leben in der Überzeugung, dass der Tod nicht das Ende des Lebens ist, sondern dass es danach eine lebendige Gemeinschaft mit Gott gibt. Wie genau das aussehen kann, wissen wir hingegen nicht. Auch beweisen können wir das kaum. Die Jüngerinnen und Jünger zur Zeit Jesu kannten aber keinen überlieferten Glauben an die Auferstehung. Die Darstellung Jesu von seinem Tod und der anschließenden Auferstehung muss für sie unvorstellbar sein. Und was unvorstellbar ist, kann nur anderes bedeuten als das, was die Worte aussagen.
Da ist also Jesus komplett ehrlich und erklärt in einfachsten Worten, wie sein Ende auf Erden aussehen wird. Das dauert nicht länger als einen kurzen Satz. Und es bleibt doch unerklärlich.
Und auch bildlich begreifen die Engsten um Jesus nicht, was er ihnen verdeutlichen will: Ein Kind soll nicht nur Jesus beinhalten, sondern auch Gott? Wie das? Es weiß nichts, seine Kräfte sind beschränkt, es bedarf der Zuwendung und des Schutzes, kann allein nichts bewirken.
Wirklich?
An dem Tag, als ich diesen Text schreibe, habe ich morgens eine Taufe begleitet. Das Kind ist noch nicht in der Lage zu laufen, etwas zu sagen oder einen eigenen Gedanken zu formulieren. Aber es hat wache Augen, es ist ein zarter Schatz des Lebens. Schützenswert. Es ist jedes Engagement wert. Es verdient jede Bemühung, dass es in Frieden wachsen kann. Das Kind ist als Mensch vollkommen ausgestattet und trägt alles Potenzial in sich. Es wird buchstäblich über sich hinauswachsen. Mehrfach sogar. In der Stupsnase und der zarten Haut zeigt sich auch Gott.
Ich kann vielleicht nicht begreifen, was das Leben nach dem Tod ist und wie machtvoll Gott ist, das zu bewirken. Eventuell scheue ich auch davor zurück, zu fragen, wie das möglich sein kann. Aber im Kind sehe ich, was möglich ist im Leben. Es ist ebenso unerklärlich – aber sichtbar.
Und so wird dieses Taufgeschehen von heute zum erklärenden Ansatz für das Evangelium. Alle Wissenschaft kann das komplexe Wachsen eines Menschen in Teilen beschreiben, nicht aber alle Einzelheiten erklären. Das Leben ist fragil, es braucht unsere Hilfe. Aber es lohnt sich.
Ihnen wünsche ich die Kraft zu Fragen und die Fantasie, Worte über den eigentlichen Sinn hinaus zu denken. Und viel Freude beim Gestalten der dann entstehenden Welt. Wenn wir Glück haben, mit Gottes Hilfe und Segen.
Tim Wollenhaupt