Zum Evangelium Mt 15, 21-28 am 20. Sonntag im Jahreskreis, 20.8.2020
21 Jesus ging weg von dort und zog sich in das Gebiet von Tyrus und Sidon zurück. 22 Und siehe, eine kanaanäische Frau aus jener Gegend kam zu ihm und rief: Hab Erbarmen mit mir, Herr, du Sohn Davids! Meine Tochter wird von einem Dämon gequält. 23 Jesus aber gab ihr keine Antwort. Da traten seine Jünger zu ihm und baten: Schick sie fort, denn sie schreit hinter uns her! 24 Er antwortete: Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt. 25 Doch sie kam, fiel vor ihm nieder und sagte: Herr, hilf mir! 26 Er erwiderte: Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen. 27 Da entgegnete sie: Ja, Herr! Aber selbst die Hunde essen von den Brotkrumen, die vom Tisch ihrer Herren fallen. 28 Darauf antwortete ihr Jesus: Frau, dein Glaube ist groß. Es soll dir geschehen, wie du willst. Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt.
Manchmal lese ich in der Zeitung oder den digitalen Nachrichtenportalen Äußerungen der ein oder anderen bekannten Persönlichkeit und bin erst einmal fassungslos über die Menschenverachtung, die da in manchen Aussagen zum Ausdruck kommt.
Wenn ich ehrlich bin, lösen die Worte des heutigen Evangeliums zunächst auch eine ähnliche Reaktion in mir aus. Wie kann Jesus die Frau abweisen, nur weil sie nicht zum „Auserwählten Volk“ gehört? Und wie abwertend klingt sein Vergleich mit den Hunden? Unreflektiert und aus dem Kontext herausgerissen hat das etwas von der oben angesprochenen polemischen Rhetorik, derer sich die Populisten heutiger Zeit nur zu gern bedienen.
Andererseits, auch in unserer heutigen Zeit muss man genauer schauen, WER etwas sagt und IN WELCHEM KONTEXT. So können bitterböse Worte Ausdruck einer ebensolchen Gesinnung sein, sie können aber auch von Jemandem stammen, der sie bewusst provokativ einsetzt, um die Menschen wach zu rütteln und sie zu einem Diskurs und einer Positionierung herauszufordern. Beispielhaft sei hierfür die politische Satire genannt. Immer wieder flammt in den Medien die Diskussion darüber auf, wie weit die Vertreter(innen) dieser Branche mit ihren Aussagen gehen dürfen und ob bzw. wann man ihnen das Wort/einen Auftritt verbieten sollte.
Vor dem Hintergrund einer solchen Überlegung erscheinen die Worte des heutigen Evangeliums in neuem Licht. Jesus verkörpert per se die Liebe und Zuwendung Gottes zu den Menschen. Es kann ihm also nicht darum gegangen sein, die Frau, die sich bittend an ihn wendet, vorzuführen und zu erniedrigen. Aber Jesus nimmt auch nie ein Blatt vor den Mund. Er stellt unbequeme Fragen und provoziert. Zugleich lässt er sich auf Menschen ein, die nicht lockerlassen, die hartnäckig sind, die ERNSTHAFT seine Nähe und Hilfe suchen.
Ist es das – trotz der provokanten Abfuhr – nicht zu brechende Vertrauen, der feste Glaube der Frau, was Jesus einlenken lässt? Oder imponiert ihm mehr, dass sie mit ihren Worten sachlich in Frage stellt, dass dem jüdischen Volk allein die Heilszusage Gottes gilt und dass sie damit auch den Zuhörenden den universellen Charakter der Sendung Jesu deutlich macht?
Diese Frage kann ich für mich nicht beantworten. Mut macht mir beides: die Ermutigung Jesu zum Vertrauen genauso wie die zum engagierten Diskurs!
Maria Schmale