22. Sonntag im Jahreskreis, 01.09.2019
Zum Evangelium nach Lukas 14, 1.7 – 14
Im Tierreich gibt es eine Hackordnung. Das kräftigste Tier kommt zuerst dran, erst, wenn es die Beute freigibt, darf das nächste Tier heran und macht ein Tier dem anderen den Platz streitig, gibt es ein großes Gebrüll, die Krallen werden ausgefahren und ein Beißen um die Macht setzt ein.
Ganz so habe ich es beim Thema Tischordnung noch nicht erlebt, aber auch hier gibt es regelmäßig Fragen. Selbst dann, wenn ein Gastgeber keine Tischordnung auf den Platz genau erstellt hat. Da gibt es zum Beispiel die Aussicht darauf, dass sich alle während einer Feier nach Belieben umsetzen können und sollen, nur zu Beginn werden Menschen Tische zugewiesen. Und selbst dann gibt es diejenigen, die mit vollem Überblick zum Geschehen sitzen werden und diejenigen, die das Wichtige im Rücken haben. Also auch hier Plätze mit unterschiedlicher Wertigkeit. Für andere entscheidet die Nähe zur Ausgangstür, zur Theke oder zum Lautsprecher. Sie werden so etwas kennen.
Gibt es eine solche Tischordnung eigentlich auch in der Kirche? Erst der Papst, dann die Kardinäle, dann die Bischöfe, dann die Priester, anschließend die Diakone, später dann die Pastoral- und Gemeindereferent*innen, dann die Messdiener und irgendwann nachfolgend auch das Volk Gottes? Bei einem großen Pontifikalamt wird diese Rangordnung auf den Kopf gestellt. Das Volk Gottes ist längst im Raum der Feier angekommen, die Messdiener betreten als Erste den Kirchenraum und zum Schluss kommt der Bischof. Jetzt könnte man sagen: Dafür bekommt er auch die Kathedra, den besonderen Bischofstuhl, gepolstert und mit Lehne und Wappen. Ach, ist das schön menschlich und vertraut. Und weitgehend auch in Ordnung, alle gleichzeitig könnten auch das größte Portal nicht betreten.
Was entscheidend ist, ist die Tischordnung am Tisch des Herrn, bei der Eucharistie. Dann, wenn Gott selbst Geber und Gabe ist. Da gibt es keinen, der besonders hervorsticht, mindestens bei uns in der Kirche St. Maria Magdalena nicht und an vielen anderen Stellen auch nicht. Wenn am Gründonnerstag oder in vielen anderen Messen in beiderlei Gestalt kommuniziert wird, erhalten alle vom selben Brot und vom selben Wein. Die Reihenfolge ist eher zufällig und das ist gut so. Wer von uns könnte schon von sich behaupten, dass Gott selbst ihn an diesen Platz gestellt hätte? „Wir danken Dir, Herr, dass Du uns berufen hast, vor Dir zu stehen und Dir zu dienen“ sagt der Priester stellvertretend für die ganze Gemeinde, nicht für die Abteilung Klerus. Alle sind gleich geliebt und mit Gottes Gegenwart beschenkt. So gleich, dass es uns praktisch unmöglich sein wird, in dieser Reihe den „untersten“ Platz einzunehmen. Die Essenz des heutigen Evangeliums lautet für mich: Bleib auf dem Boden. Egal, wer Du bist, wie viel Du besitzt, wo Du wohnst oder wie viele Titel Du auf Erden tragen darfst: Du bist vor Gott genau so ein kleines Licht wie alle anderen.
Aber: mit allen anderen kleinen Lichtern kann man ein strahlendes Fest feiern und erleuchtet werden. Das ist besser als ein Spitzenplatz am Tisch, das ist das Wesen von Gottes Mahlgemeinschaft.
Wenn Sie ein winziges Stück Brot in Ihrer Hand halten, verbinden Sie sich mit dem Größten, was wir uns vorstellen können. Zwischen Ihnen und Gott gibt es dann keinen Platz dazwischen mehr. Das nenne ich mal erste Reihe. Jede Reihe aufs Neue.
Willkommen zum Fest.
Tim Wollenhaupt