Zum Evangelium Joh 16,12-15 (Dreifaltigkeitssonntag, 16. Juni 2019)
Der heutige Sonntag öffnet uns einen Zugang zum Geheimnis unseres Gottes: Kein abstraktes „höchstes Wesen“, sondern ein lebendiges Du mit einem uns zugewandten Antlitz.
„Wo ich gehe – du!
Wo ich stehe – du!
Nur du, wieder du, immer du!
Du, du, du!“
So hat es der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber (1878 – 1965) ausgedrückt. In der Sprache der Liturgie versammeln wir uns zum Gottesdienst „im Namen der Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes“. „Dreifaltigkeit“ heißt das in der Sprache der christlichen Theologie. Aber diese Sprache klingt philosophisch abstrakt und wie höhere Mathematik: einGott in dreiPersonen.
Im Johannes-Evangelium, auf das wir heute hören, spricht Jesus – noch beim Abschiedsmahl am Abend vor seiner Gefangennahme – zu seinen Freundinnen und Freunden konkreter, wenn auch etwas pathetisch:
„Noch vieleshabe ich euch zu sagen,
aber ihr könnt es jetzt nicht tragen.
Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit,
wird er euch in der ganzenWahrheit leiten.
Denn er wird nicht aus sich selbstheraus reden,
sondern er wird reden, was er hört;
und euch verkünden, was kommenwird.
Er wird michverherrlichen;
denn er wird von dem, was meinist, nehmen
und es euchverkünden.“ (Joh 16, 12 – 14)
Vielleicht lassen sich Jesu Worte so zusammenfassen: Das Gespräch zwischen Jesus und seinen Freundinnen und Freunden geht weiter. Aber es braucht noch Zeit und Entwicklung, vor allem jedoch Beistand und Führung. Dies genau schenkt der heilige Geist, „der Geist der Wahrheit“. Sein Ziel ist die Verherrlichung Jesu, d.h. das Sichtbarwerden der zugewandten Liebe Gottes: im Leben und Handeln der christlichen Gemeinde sowie der einzelnen Christinnen und Christen. Darin erschließt sich mir das Geheimnis unseres Gottes.
Gott ist kein in sich ruhendes transzendentes höchstes Wesen – wie es die griechischen Philosophen, z.B. Aristoteles, dachten. Unser Gott ist vielmehr Gemeinschaft und Kommunikation, vielleicht so etwas wie ein ‚soziales Netzwerk‘ – uns Menschen in Liebe zugewandt:
– wie ein guter Vater oder eine gute Mutter
– mit einem menschlichen Antlitz wie ein brüderliches Du, der alle unsere Wege mitgeht
– wie ein Netzwerk der Liebe, in dem ich getragen und geborgen bin.
In diesem Sinne hilft mir der Text von Martin Buber. In der Ich-Du-Beziehung sieht Buber das Wesen des Menschen und einen Abglanz der Begegnung des Menschen mit Gott. Darin entdecke ich – am Dreifaltigkeitssonntag – einen Zugang zum Geheimnis unseres Gottes:
Wo ich gehe – du!
Wo ich stehe – du!
Nur du, wieder du, immer du!
Du, du, du!
Ergeht‘s mir gut – du!
Wenn‘s weh mir tut – du!
Nur du, wieder du, immer du!
Du, du, du!
Himmel – du, Erde – du,
Oben – du, unten – du,
Wohin ich mich wende, an jedem Ende
Nur du, wieder du, immer du!
Du, du, du!
Martin Buber
Burkhard Schönwälder