Zum Evangelium nach Johannes 10, 1-10 am Sonntag, dem 03.05.2020
4. Sonntag der Osterzeit
1 Amen, amen, ich sage euch: Wer in den Schafstall nicht durch die Tür hineingeht, sondern anderswo einsteigt, der ist ein Dieb und ein Räuber. 2 Wer aber durch die Tür hineingeht, ist der Hirt der Schafe. 3 Ihm öffnet der Türhüter und die Schafe hören auf seine Stimme; er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und führt sie hinaus. 4 Wenn er alle seine Schafe hinausgetrieben hat, geht er ihnen voraus und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme. 5 Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, sondern sie werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme der Fremden nicht kennen. 6 Dieses Gleichnis erzählte ihnen Jesus; aber sie verstanden nicht den Sinn dessen, was er ihnen gesagt hatte. 7 Weiter sagte Jesus zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ich bin die Tür zu den Schafen. 8 Alle, die vor mir kamen, sind Diebe und Räuber; aber die Schafe haben nicht auf sie gehört. 9 Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden. 10 Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten; ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.
Liebe Leserin, lieber Leser,
schon oft hatte ich die Gelegenheit in den Ruhrwiesen eine Schafherde mit ihrem Schäfer beobachten zu können. Es ist jedes Mal ein wunderbar friedvolles und idyllisches Bild. Die Schafe fühlen sich in ihrer Herde geborgen, grasen frisches Grün, die Hirtenhunde und der Schäfer passen auf die Herde auf.
Auch Bilder bekannter Maler stellen Jesus Christus als einen Hirten inmitten seiner Schafherde da. Ein ruhiges, friedvolles Bild, voll der Liebe und Zuneigung des Schäfers zu seiner Herde. Wenn ein Schaf sich verirrt hat, wird es gesucht und zur Herde zurückgeleitet (Das Gleichnis vom verlorenen Schaf, Lukas 15, 3-6). Der Schäfer kennt seine Schafe und sie hören auf seine Stimme.
In diesem Gleichnis finden wir auch die bekannten „Ich bin“ Worte des Herrn Jesus, die zusätzlich mit einem „Amen Amen“ am Anfang des Satzes auf eine wichtige Botschaft hinweisen: Jesus Christus – das Brot des Lebens, das Licht der Welt, die Tür, der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch mich, der wahre Weinstock usw.
Dem Leser wird deutlich, der Herr Jesus kümmert sich liebevoll, gütig und aufopferungsvoll um seine geliebten Menschen. Er möchte seine Brüder und Schwestern auf ihrem Lebensweg begleiten aber nicht bevormunden.
Zur Zeit des Evangelisten Johannes bis in unsere Tage besteht das Problem: Wie gehen wir mit der Liebe Gottes um, wie gehen wir mit der Welt um, die Er für uns erschaffen hat? Das Verhalten zahlreicher Menschen gleicht oft – um bei dem Gleichnis zu bleiben – einem Schaf, das auf die Idee kommt, auch gut ohne seine Herde und seinen Schäfer auskommen zu können. Es beachtet dabei nicht, dass auf seinem selbst gewählten Weg zahlreiche Räuber und Diebe lauern, die nur darauf warten, über ein einsames Schaf herzufallen. Noch schwieriger wird es für das Schaf, wenn es die Gefahren am Wegesrand gar nicht sofort als solche erkennen kann. Vielleicht hat sich ein Wolf in einem Schafspelz versteckt und die so schöne Wegstrecke steckt tatsächlich voller Löcher und Fallgruben. Das Schaf kann auch durch verlockende Angebote und falsche Versprechungen von „schwarzen Schafen“ geistig oder körperlich Schaden nehmen.
Damals wie heute lauert die Gefahr, dass Menschen zur der Überzeugung kommen, Alles zu wissen, Alles zu verstehen, Alles beherrschen und begreifen zu können. Gerade in unserer modernen, technisierten, organisierten und pluralistischen Gesellschaft fällt es leicht, sich für „unschlagbar“ zu halten. Dann kursieren so Schlagworte wie: „Jeder ist sich selbst der Nächste – nur der Stärkere gewinnt – mit Geld kannst du alles kaufen – jung, schön, sportlich und erfolgreich – immer schneller, höher, weiter – koste es, was es wolle – rette sich, wer kann usw.“
Gerade in Kriegs- und Krisenzeiten wird uns deutlich, dass Forschung, Wissenschaft und Technik, Weltwirtschaft, Gesundheitssysteme, Politik und Gesellschaft schnell an ihre Grenzen geraten. Wir haben die von Gott gegebene Welt fast ausgeplündert. Die reichen Industriestaaten haben viel zu lange über ihre Verhältnisse gelebt und darüber vergessen, die Menschen in den ärmeren Ländern dabei zu unterstützen, sich ebenfalls ein gesichertes und menschwürdiges Leben aufbauen zu können. Zusätzlich werden in den ärmeren Ländern s.g. Stellvertreterkriege angezettelt, um noch besser durch Waffen viel Geld zu verdienen und Macht und Einfluss zu mehren. Nun merken „wir Schafe“ in den Industrienationen, dass unheimliche Viren und Bakterien keinen Halt vor Staatsgrenzen machen, dass das Wettergeschehen und Klimaverschiebungen auch uns schwer zusetzen können. Ich hoffe, dass die Warnzeichen beachtet werden und eine Umkehr zu mehr Bescheidenheit und Demut stattfindet.
Und plötzlich ist dieses Bild von der Schafherde und dem Schäfer nicht nur ein idyllisches Bild, sondern ein Auftrag für unser Leben. Wir brauchen den guten Hirten Jesus Christus in der Mitte unseres Lebens, als Orientierung, Anker und Halt. Es ist jetzt dringend an der Zeit, liebevoll mit sich selbst, seinen Mitmenschen und der Welt umzugehen. Vielleicht hilft eine Krisensituation vielen Menschen, sich auf die Suche nach ihrem Schäfer und ihrer Herde zu begeben.
Schön zu hören, dass in den Zeiten der Krise, viele Menschen – auch die, die schon lange nichts mehr „mit der Kirche am Hut hatten“ – christliche Radio- oder TV-Sendungen sowie das Internetangebot der Kirchen verstärkt genutzt haben. Gottesdienste wurden zu Ostern in Autokinos abgehalten. So sinnvoll eingesetzt, können die neuen Medien auch eine Hilfe und ein Segen für viele Menschen sein; die gute und heilbringende Nachricht wird weltweit übertragen und es ist möglich, mit einsamen Schafen / Menschen, die auf der Suche nach ihrem Schäfer / Gott sind, jederzeit und überall in Verbindung zu treten.
Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie irrende Schafe, aber ihr seid nun umgekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen. (1. Petrus 2, 24-25)
Bleiben sie alle „auf Sendung“ und „auf Empfang“, gesund und im Gebet um friedvolle und wieder bessere Zeiten.
Ich wünsche Ihnen einen schönen und erholsamen Sonntag.
Ralf Crüsemann
Mein Tipp: „Tagessegen“
Jeden Tag neu spendet Pfarrer Heinz Förg aus dem Bistum Mainz den Segen für den Tag und verbindet dies mit einem kurzen Impuls zu einem ausgewählten Vers aus der Bibel. Das geistliche Ritual für den Start in den Tag!
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