- Sonntag im Jahreskreis, 11.02.2018
Zum Evangelium nach Markus 1, 40 – 45
Der Blick in die Geschichte der Kirche St. Maria Magdalena öffnet für viele sonst nicht offensichtliche Details die Augen. Zum einen ist da die Namensgebung: Nicht ein Mann ist Patron, sondern eine Frau, nicht irgendeine Frau, sondern die „Apostelin der Apostel“. Das öffnet sehr deutlich den Blick auf die Rolle der Frau in der Kirche, wie ich finde.
Diese Kirche in Wattenscheid hat zwei historische Standorte. Der eine ist die Kirchenburg, auf der die heutige Pfarrkirche St. Gertrud von Brabant steht. In diese durften in mittelalterlicher Zeit stark Erkrankte nicht hinein. Möglicherweise sollte auf diese Weise die Ansteckung der Gemeinde verhindert werden, möglicherweise wurde auf die Absonderung nach alttestamentlichem Vorbild Wert gelegt, wie sie in der ersten Lesung zum heutigen Sonntag auftaucht (Lev 13, 1-2, 44-46). Die Absonderung von stark Erkrankten ist verstörend und verständlich zugleich. So gut, wie ich verstehe, dass man die noch gesund vermutete Gemeinde vor Ansteckung schützen will, so unmenschlich finde ich es, gerade jenen Kranken den Zugang zu jeglichem Sakramentalen zu verwehren, die des heilenden Zuspruchs am ehesten bedürfen. Diesen Zwiespalt hat wohl auch die mittelalterliche Gemeinde so empfunden und den Bau der „Leprosenkapelle“ am Wattenscheider Hellweg mitgetragen, die erste Kirche St. Maria Magdalena an diesem Standort. Ihr folgten bislang zwei weitere Gebäude nach, allesamt gleichen Namens.
Es ist anzunehmen, dass die wiederkehrende Nennung von Aussätzigen in der Bibel kein Zufall ist, sondern ein augenfälliger Hinweis für jeglichen Zustand, der einen Menschen von der Gemeinschaft trennt. Der für jeden leicht nachvollziehbare „Aussatz“ ist dann nur ein Sinnbild für alle Absonderlichkeiten, einschließlich derjenigen, die ohne äußere Erkennbarkeiten innerlich um sich greifen. Der „Geisteskranke“ ist auch gemeint. Allerdings nicht nur derjenige im Rahmen unserer Krankenversichertenkataloge, sondern auch und gerade der Mensch, der in der Abgeschiedenheit von Gott lebt. Es entsteht so das Bild des Menschen, der auf irgendeinem Wege sich selbst isoliert oder von anderen isoliert wird. Dieses Bild taucht an anderer Stelle im Gleichnis vom verlorenen Sohn auf. Diesen Isolierten begegnet Jesus auf die beste aller denkbaren Weisen: Egal, was vorher war, ob die Isolation, das Fernsein von Gott selbstgewählt war oder nicht, Jesus hört die Bitte und antwortet ohne jeden Umweg und ohne jede Bedingung: „Ich will es – werde rein!“
Diese Bedingungslosigkeit, die äußerlich zum Beispiel daran deutlich wird, dass die Kirche St. Maria Magdalena auf ihre Hauptportaltüren „offen“ geheftet hat, als Einladung an jeden, der es lesen kann, und das auf diesem Grund und Boden seit rund 600 Jahren, finde ich sehr tröstlich. Denn es eröffnet mir zu jeder Zeit den Weg zu Gott – verbunden mit dessen Zusage, immer willkommen zu sein, egal, was war. Eine solche Liebe ist ein unfassbares – aber spürbares – Geschenk.
Ihnen wünsche ich, dass Sie sich bei Gott stets geheilt und willkommen wissen können.
Tim Wollenhaupt