1
17. Sonntag im Jahreskreis, 28.07.2019
Zum Evangelium nach Lukas 11, 1 – 13
Guter Gott, alles will ich ertragen, aber gib mir keine Fünf in Mathe.
Kommt Ihnen so ein Gebet bekannt vor? Mir schon. Hatten Sie je Erfolg mit solch einem Gebet? Ich nicht.
Und das aus gutem Grund. Denn Gott ist ganz offenbar kein Selbstbedienungsladen, bei dem man nur nett bitten muss und schon wird aus einem das logische Denken nur mäßig Beherrschenden ein sagenumwobenes Mathematikgenie. Genau so kann man auch um den Lotto-Jackpot bitten oder um ein neues Auto. Ich stelle mir dann Gott immer schlafen vor, der ein Auge halb aufmacht, fast unmerklich mit dem Kopf schüttelt und wieder einschläft. Das ist offenkundig nicht Gegenstand des Betens.
Wir brauchen auch keine tolle Note in einem Fach, ein glänzendes Auto oder unschätzbare Millionen auf dem Konto. Wir brauchen etwas, was uns nährt. Das Bild des täglichen Brotes taucht mehrfach auf und damit meint Jesus nicht ein leckeres Brötchen oder ein schmackhaftes Croissant, sondern die Nahrung, die ebenso allgegenwärtig ist wie Brot: Die Zusage der Liebe Gottes. Das Brot im Vaterunser ist bei keinem Bäcker zu finden, sondern Nahrung für Seele und Herz. Wir können pappsatt sein und werden doch nach Zuwendung hungern.
Die Brotbitte ist die Bitte um das Wort Gottes und sie ist kein Selbstzweck. Sie ist ganz offenbar eine Selbstverpflichtung. Denn nach dem Lobpreis stellt sich der Betende selbst zurück: Dein Reich komme. Nicht mein Wille soll umgesetzt werden, sondern das Reich Gottes möge real werden. Die Erkenntnis, Gottes Gebote wider besseres Wissen zu missachten, führt zur Bitte um die Vergebung der Sünden. Aber auch nicht allein, um ein reines Konto zu haben, sondern als gütige Antwort auf das vorhergehende menschliche Beispiel: „denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist.“ Damit sind nicht die Verpflichtungen aus dem Bereich des Bürgerlichen Gesetzbuches gemeint, nicht die Fragen der Umschuldung oder des Kredites. Sondern der Respekt gegenüber den Menschen. Mir gegenüber tritt man nicht immer liebend auf. Doch berechtigt mich diese Respekt- oder Lieblosigkeit nicht dazu, meinerseits lieblos zu reagieren, sondern mich dem anderen dennoch so zu nähern, als gäbe es keine Schuld. „Liebt einander“ ist schon schwer. „Liebe deine Feinde“ erscheint uns ganz unmöglich – und doch ist es hier gemeint.
Was in diesem kurzen Vaterunser steht, ist nicht weniger als in Worte gefasste Selbstverpflichtung und die Bitte um den Frieden der Welt. Es ist der Auftrag, das Gebetete nicht auswendig abzuspulen, sondern ernst zu nehmen. Und spätestens dann, wenn man das erstmals gedacht hat, wird es schwer fallen, das vertraute Gebet jemals wieder so zu beten, als hätte man ein auswendig gelerntes Gedicht aufgesagt.
Erst darauf, auf dieses ernsthafte Bitten um die Verwirklichung des Friedens, antwortet Gott mit mehr als nur einem halb geöffneten Auge. Und wenn ich das mal gegenüberstelle, diesen Weltfrieden und meine alte Matheklausur, dann gebe ich locker zu: Mit meiner Klausur wäre der Weltfrieden nicht entschieden worden. Und mit etwas mehr Mühe im logischen Denken hätte ich streng genommen Gott gar nicht gebraucht.
Gebe Gott, dass er Ihre tiefe Bitte erhören möge und Sie mit dem beschenkt, was Ihre Seele nährt.
Tim Wollenhaupt